Beim ersten Online-Treffen der Initiative „Schule und Spiel“ durfte ich mich mit einem kleinen Praxisworkshop beteiligen. Leider konnte ich tatsächlich nur während des Workshops dabei sein und habe daher den Rest des Tags verpasst, aber es war toll zu sehen und zu hören, wie viel spannende Ideen und was für ein guter Austausch in der Gruppe zusammenkommen. Wie bei einem Barcamp geht ein großer Dank raus an die „Teilgebenden“. Deren Ideen und Ergänzungen habe ich auf den Folien ergänzt, die ich hier für alle Interessierten zur Verfügung stelle:
Autor: danielbernsen
Mexiko in Spielen – Teil 5: Pátzcuaro
Die Stadt Pátzcuaro liegt am gleichnamigen See und ist in ganz Mexiko für ihre Feiern zum Día de Muertos bekannt.
Die Nacht der Toten wird nicht nur auf den Friedhöfen der umliegenden Dörfer gefeiert, sondern auch auf der zentralen Plaza mit einer grossen Kunsthandwerk-Ausstellung. Zu sehen sind Töpfer- und Keramikarbeiten, Schmuck, Textilien, Lautenbau, Tischlerarbeiten und andere Arten der Volkskunst aus dem ganzen Bundesstaat Michoacán, in dem die Stadt liegt.
Die Indigenen sehen Patzcuarhu – in der Sprache der Purépecha – als einen Ort, an dem sich der See, die Berge und der Himmel durch ein „Himmelstor“ vereinen. Auf der am dichtesten besiedelten Insel des Pátzcuaro-Sees versammeln sich während der Totengedenkfeiern Tausende von Besuchern auf dem Friedhof, der sich wie eine Terrasse zum See hin öffnet.
Am 2. November findet in Santa Fe de la Laguna gehen die Bewohner zum Friedhof, reinigen ihn gemeinsam und bereiten die Opfergaben vor. Die Insel ist nur mit Booten zu erreichen, die an diesem Tag rund um die Uhr fahren.
In Pátzcuaro ist das gleichnamige Spiel angesiedelt – eins der wenigen mexikanischen Brettspiele, die den Día de Muertos thematisieren. Entwickelt wurde das Spiel von Rubén Hernández Santillán veröffentlicht 2022 von Detestable Games und Draco Studios. Das Spiel fällt direkt durch die fröhlich mit warmen Farben gestaltete bunte Schachtel auf. Die übrigen Materialien sind ebenso liebevoll und detailreich gezeichnet. Illustratiert hat das Spiel Gaby Zermeño.
Anders als bei den bisher vorgestellten Spielen nutzt Pátzcuaro den Tag der Toten nicht nur als Kulisse, sondern integriert Elemente des Fests auch in die Spielmechanismen. Im Kern geht es darum Karten in einer eigenen Auslage und damit Punkte zu sammeln. Wer am Ende die meisten Punkte hat, gewinnt das Spiel. Mit der eigenen Spielfigur läuft man um kleine Spielbretter mit tiendas (Läden), in denen man verschiedene typische Gegenstände auf Karten für den eigenen Totenaltar eintauschen kann.
Darauf abgebildet sind all die Dinge, die die Verstorbenen gerne mochten: Tequila, Lollis, Pan de muertos sowie Bilder der Verstorbenen, Cempasúchil-Blumen, Kerzen und kleine calaveras (Totenköpfe). Die Bilder der Verstorbenen zeigen unterschiedliche Menschen und auch Hunde und haben auch einen Namen. Jede Karte zeigt ein einzigartiges Bild.
Mit diesen Karten bauen die Spielenden vor sich einen kleinen Altar in Form einer Pyramide auf. Am Ende zählt pro Reihe der häufigste Gegenstand pro Stufe. Ausserdem gibt es noch zusätzliche Wertungen, die in jedem Spiel anders sind und die man zugleich im Blick haben muss, für bestimmte Kombinationen oder das Vermeiden einer Farbe.
Das Spiel ist schnell erklärt und in gut 20 Minuten gespielt. Es bietet durch die verschiedenen Wertungsvorgaben und die variablen kleinen Spielfelder mit den tiendas viel Varianz und Wiederspieltreiz. Das ist für die Schule bekanntlich weniger relevant, aber aufgrund der kleinen Packung, der übersichtlichen Spieldauer und vor allem der thematischen Dichte in den Illustrationen passt das Spiel prima in den Spanischunterricht, um etwas über den Día de los Muertos in Mexiko zu lernen.
Postkartenspiel zum Día de Muertos
[para la versión en español del juego ver abajo]
Zum Tag der Toten habe ich in ein kleines Postkartenspiel für zwei Personen gebastelt, das ich hier kostenlos zum Download anbiete.
In Mexiko gibt es in den Wochen vor dem Día de Muertos Totenköpfe aus Zuckerguss, Schokolade, in allen Formen und Farben als Deko für Zuhause und natürlich auch als Ausmalbilder.
Daraus ist die Spielidee entstanden: Es geht darum in zwei verschiedenen Farben, die Blütenblätter auf dem Schädel auszumalen. Das Spielprinzip ist so einfach, dass es auch schon Kinder spielen können.
Unten ist die Datei zum Download: 1x auf Deutsch, 1x mit spanischer Anleitung.
Viel Spass beim Spielen!
P.S. Wer sich für Print&Play-Spiele zum Download interessiert, kann auch hier mal beim Axolotl-Spiel schauen.
Mexiko in Spielen – tanzen mit den Toten
Jedes Jahr am 2. November feiert ganz Mexiko den Día de Muertos (Tag der Toten). Um genau zu sein, beginnen die Vorbereitungen und Veranstaltungen schon in den Wochen vorher. Bereits jetzt Mitte Oktober ist überall entsprechend geschmückt. Seit Wochen kann man in den Geschäften die Deko kaufen, wobei sich der Verkauf mit Artikeln für Halloween (31.10.) mischt. Auch das wird gefeiert. Der Einfluss der USA in Mexiko ist sehr gross.
In meinem ersten Jahr in Mexiko war eins der eindrücklichsten Erlebnisse der Besuch auf einem Friedhof am 2. November. Wir sind einfach zum nächstgelegenen gefahren: Der Friedhof war voller Menschen, die Gräber bunt geschmückt, Kinder spielen fangen und verstecken, die Familienangehörigen und Freunde sitzen mit einem Bier an der Hand und einem CD-Player um die Gräber ihrer Liebsten, einige singen mit, an einigen Gräber spielen kleine Kappellen…
Hier ein paar Impressionen aus dem letzten Jahr:
Der Día de los Muertos oder auch Día de Muertos hat einige feste Elemente, wie die orangefarbene Cempasúchil (deutscher Name: aufrechte Studentenblume), die den Toten den Weg zu Lebenden weist, das süsse „Pan de Muertos“ (Totenbrot), die zahlreichen Ofrendas oder Altar de Muertos (selbst gebaute Altäre mit Bildern der Verstorbenen), Totenschädel aus Zuckerguss, buntes Papel Picado – Seidenpapier mit Motiven von Skeletten und anderen typischen Motiven, die als kleinen Fahnen im Wind wehen usw. Wer sich dafür interessiert, dem sei der Disney-Film „Coco“ empfohlen, der tatsächlich viele Traditionen des mexikanischen Totentags zeigt und in einer unterhaltsamen Geschichte auch teilweise erklärt und ihre Bedeutung verständlich macht.
Vermutlich aufgrund der Symbolik und Farbreichtum scheint der Día de Muertos nach der präkolumbianischen Geschichte (Maya, Azteken etc.) das beliebteste Thema mit Mexikobezug im Brettspielbereich zu sein – interessanterweise gerade auch außerhalb Mexikos. Ich kann nur vermuten, warum das so ist, aber es liegt vermutlich daran, dass der Día de Muertos viele unterschiedliche Elemente für die Gestaltung und auf den ersten Blick auch viel bunte Exotik bietet.
Anbei ein kleine Auswahl von Spielen, die sich des Themas bedienen – in der Regel als Zuckerguss oder Schokoladenüberzug für sonst recht „trockene“, im Sinne von abstrakten, Spielen. Also: weil es schön aussieht und sich damit hoffentlich gut verkauft.
Trio wurde 2021 veröffentlicht. Das Spiel stammt von einem japanischen Autor und einem französischen Verlag. In Frankreich hat es den Spielepreis „As d’or“ gewonnen. In Deutschland war es auf der Empfehlungsliste zum „Spiel des Jahres“. Ein abstraktes Set Collection-Spiel mit Memory-Mechanismus, das in den Illustrationen auf dem „Día de Muertos“ verweist. Sowohl das Cover wie auch die Karten sind im Stil des Papel Picado gestaltet und zeigen in schwarzen Umrissen sowohl typische Elemente des Totentags wie Skelett und Calavera, aber auch andere Gegenstände, die wohl auf insgesamt irgendwie auf Mexiko verweisen sollen wie Gitarre, sombrero, piñata oder Avocado.
Calavera ist ein kleines Würfelspiel von Klaus-Jürgen Wrede, das 2019 im Moses-Verlag erschienen ist. Eigentlich ein weitgehend abstraktes Spiel helfen die Illustrationen, die auf den Tag der Toten Bezug nehmen, die Punkte- von der Todeszone (mit Minuspunkte) abzugrenzen. Es finden sich typische Elemente wie die Cempasúchil-Blumen, Calavera und Skelette. Am Ende der Anleitung steht ein kurzer Infotext zum Día de Muertos in Mexiko.
UNO – Día de los muertos ist vermutlich – zumindest aus meiner Sicht – das schönste UNO-Spiel. Das Original-UNO ist offenkundig sehr populär. Schön ist es nicht. Neben den vielen Lizenzausgaben gibt es in einigen Ländern auch spezielle Ausgaben, die berühmte Sehenswürdigkeiten oder typische Gegenstände, Speisen oder Tiere eines Landes zeigen, so z.B. in Ecuador und Kolumbien – beide leider auch nicht schön. Eine nationale Ausgabe gab es – überraschenderweise – in Mexiko bislang nicht.
Nun hat Mattel dieses Jahr ein eigene UNO-Ausgabe zum Día de Muertos vorgelegt. Die Regeln sind dieselben wie immer und daher belanglos, aber die Gestaltung ist tatsächlich sehr schön. Auf den Karten finden sich viele Elemente der mexikanischen Tradition. Ganz besonders ist jedoch eine beigelegte Karte, die so groß ist wie der Karton: Auf der vorderen Seite zeigt sie eine Ofrenda, in der quasi als „Easter Egg“ auch ein UNO-Spiel liegt. Das Bild der Ofrenda gibt es zugleich als Mini-Poster auf der ausklappbaren Anleitung. Auf der Rückseite wird der mexikanische Illustrator, Totoi, vorgestellt.
Das sollte es öfters geben!
Adiós Calavera (Mücke-Spiele, 2017) ist von Martin Schlegel entwickelt und von Christian Opperer illustriert. Von den hier vorgestellten Spielen ist es das Spiel, dass trotz seines abstrakten Charakters das Thema am meisten nutzt. Auf einem quadratischen Spielplan werden an zwei angrenzenden Seiten die eigenen Steine aufgebaut – die eine Gruppe repräsentiert die Lebenden, die andere die Seelen der Toten, die sich an diesem Tag begegnen. Es gewinnt, wer als erster alle seine Steine auf die gegenüberliegende Seite des Spielbretts gezogen hat. In den Illustrationen finden sich die Cempasúchil-Blumen, die Totenköpfe und in den vier Ecken des Spielplans kleine Totenaltäre mit Blumen, Zuckergusschädeln, Totenbrot und Bilder der Verstorbenen. Auch hier enthält die Anleitung einen kleinen Info-Text zum Día de Muertos in Mexiko.
Pátzcuaro ist eins der wenigen mexikanischen Spiele, das sich mit dem Día de Muertos beschäftigt. Das Spiel steht daher im Fokus des nächsten Beitrags.
Mexiko in Spielen – flüssiges Gold
Schnell runterkippen, weil das Zeug nicht schmeckt – als Shot mit Salz und Zitrone oder Zimt und Orange. Wie schade, die Tequila-Kultur ist leider nur in durchsichtigen Flaschen mit Hut nach Deutschland gekommen. Dabei wird einem jede/r Mexikaner/in als erstes hier im Land sagen: Du musst den Tequila geniessen. Trink ihn pur, langsam und vorsichtig, nur je ein winziges Schlückchen!
Warum? Tequila ist eine lokale Variante des Mezcals – in Kurzform ist das hochprozentiger Schnaps, der aus verschiedenen Agaven-Arten gewonnen wird. Tequila durfte sich ursprünglich nur nennen, was aus dem gleichnamigen Ort im Bundesstaat Jalisco und ausschliesslich aus der blauen Agave hergestellt wird. Mittlerweile ist das Anbaugebiet erweitert worden. In Mexiko gibt es mehr als 100 verschiedene Produzenten mit einem x-fachen an unterschiedlichen Marken.
Wenig bekannt in Deutschland ist, dass der Tequila (ebenso wie der Mezcal aus anderen Landesteilen übrigens auch) eine ähnliche Aromenvielfalt abdeckt wie guter schottischer Whisky. Es lohnt sich mal ein Tasting zu machen und sich die Unterschiede erklären zu lassen: vom einfachen klaren (blanco/plata) über goldenen (oro/joven) und in Eichenholzfässern gelagerten (reposado) bis zum gut gereiften (añejo) sind die vier wesentlichen Produktions- und Qualitätsstufen.
Tequila ist nun – wie der Name unschwer erraten lässt – ein Spiel, das sich thematisch mit der Produktion und dem Verkauf des gleichnamigen Getränks beschäftigt. „Thematisch“ – das einschränkend vorne weg gesagt – soweit das in einem ziemlich klassischen und gut verzahnten Roll&Write möglich ist:
In diesem Spiel vom Rubén Hernández übernimmt man die Rolle von einem der vier Jimadores – das sind diejenigen, die von Hand die Agavenblätter abschneiden (jimar), um das Herz (piña) der Pflanze zu ernten, dass für die Destillation verwendet wird. Im Grundspiel haben alle vier Jimadores die gleichen Fähigkeiten. Für fortgeschrittene Spielende gibt es eine B-Seite, in der jeder unterschiedliche Fähigkeiten besitzt.
Alle spielen gleichzeitig. Der Spielzug unterteilt sich in zwei Phasen: In der ersten Phase kann jede/r Gebiete einzäunen, damit Ressourcen (Agaven, Arbeiter, Esel, Geld) erhalten und Gebäude wie eine Destille oder einen Laden bauen (in Form der klassischen unterschiedlichen Tetris-Teile).
In der zweiten Phase geht es dann auf den Markt und zum Verkauf des Tequilas. Auf dem Markt lassen sich Ressourcen tauschen, aber auch Siegpunkte gewinnen. Der Tequilaverkauf ist unten auf dem Bild zu sehen. Die vier unterschiedlichen Qualitätsstufen benötigen aufsteigend jeweils mehr Ressourcen und bringen zugleich mehr Punkte.
Das Beispiel zeigt sehr deutlich wie sehr das Thema aufgesetzt ist: Es braucht nicht mehr Reifezeit für guten Tequila, sondern mehr bzw. wertvollere Ressourcen und bestimmte Voraussetzungen an errichteten Gebäuden. Für den besten Tequila braucht es eine „Geschäft“ (blaues Fähnchen), das am schwierigsten zu bauen ist – spielmechanisch völlig in Ordnung, thematisch einigermassen sinnfrei.
Das zieht sich durch das ganze Spiel. Tequila bietet ein wirklich gutes Roll&Write-Spiel auf Kennerniveau. Ein im Kern thematisches Spiel sollte niemand erwarten.
Was mir gut an dem Spiel gefällt, sind die unterschiedlichen Spielmechanismen, die auf den beiden Spielplänen miteinander kombiniert werden: vor allem das geschickte Abgrenzen geschlossener Gebiete und das Puzzlen der der Gebäude mit Tetromino-Formen. Zunächst hat man gefühlt zu wenig Ressourcen und Aktionen. Beides wächst im Spiel so an, so dass zunehmend Kettenzüge möglich sind und höherwertiger Tequila produziert werden kann. Das vermittelt ein positives Spielgefühl, und auch solo macht es Spass, die Verzahnungen zu erkunden und auf Highscore-Jagd zu gehen. Angesichts der in der Anleitung genannten Werte sehe ich auch, wieviel Potential da noch drinsteckt und wie weit ich davon noch entfernt bin…
Das Gesagte deutet schon darauf hin: Das Spiel ist sehr solitär. Nur der Würfelwurf des Startspielers ist für alle zugleich relevant, danach beschäftigen sich alle Spielenden relativ lange mit der optimalen Umsetzung ihrer wenigen Aktionen, wobei in den ersten Partien immer wichtige Verzahnungen und Möglichkeiten übersehen werden. Das Spiel ist fordernd in der Menge der angebotenen Optionen. Wer das alles mag, findet ihr ein wirklich sehr gutes Spiel – und geniesst beim Knobeln neben vielleicht einen leckeren Tequila 😉
Das war der dritte Beitrag in der kleinen Reihe über Mexiko in Spielen. Im nächsten werfe ich – jahreszeitlich passend, die Vorbereitungen laufen und überall findet sich schon entsprechende Deko in der Stadt und geschmückte Häuser – einen Blick auf den mexikanischen „Día de los muertos“ in einigen Brett- und Kartenspielen.
Mexiko in Spielen: immer feste druff
Piñatas sind mittlerweile auch im deutschsprachigen Raum bekannt. In Lateinamerika gehören sie fest zu den Traditionen bei verschiedenen Feiern. Die Traditionen unterscheiden sich von Land zu Land. So werden piñatas z.B. in Ecuador mit mehreren Fäden, die gezogen werden, am Bauch geöffnet, so dass die Süssigkeiten herausfallen, aber die piñata weitgehend unbeschädigt bleibt. In Mexiko hingegen wird sie mit einem speziellen Stab oder auch einem Baseballschläger zerhauen. Dazu singen die Umstehenden ein Lied – wer dran ist, darf so lange auf die piñata mit verbundenen Augen einschlagen, bis es im Lied heisst: „… y tu tiempo se acabó“ (… und deine Zeit ist vorbei). Beim Schlagen auf die piñata gilt das Motto: immer fest druff – ohne Rücksicht auf Verluste. Es passieren immer wieder Unfälle – YouTube ist voll von entsprechenden Videos. Wer mag, kann mal unter „piñatas fails“ oder „piñatas accidentes“ schauen.
Tatsächlich scheint der Kampf um die aus der piñata purzelnden Süssigkeiten in Mexiko etwas härter und ernster. Piñatas gehören hier in Mexiko zu jeder Geburtstagsfeier, aber auch zu Weihnachten. So habe ich schon Erwachsene bei einer Weihnachtsfeier gesehen, die sich auf die auf dem Boden liegenden Süssigkeiten geworfen haben – Arme und Beine ausgestreckt, um anschliessend die unter ihnen liegenden Süssigkeiten einzusammeln. Schubser und Rempler sind quasi immer dabei…
Genau diese etwas rüde mexikanische piñata-Tradition setzt Karla Günz in ihrem Spiel Dale un piñatazo, das 2022 mit der Quetzalera ausgezeichnet wurde, wunderbar um:
Das grundlegende Spielpinzip besteht darin, dass eine/e Spieler/in die Würfel wirft und die entsprechenden Aktionen ausführt. Die Süssigkeiten befinden sich in einem verdeckt liegenden Kartenstapel, der die piñata symbolisiert. Je nach Würfelergebnis fallen entweder Süssigkeiten aus der piñata (also Karten vom Stapel auf den Tisch), man darf sich eine Tüte nehmen, mit der man mehr Süssigkeiten halten kann, eine Süssigkeit direkt essen (und damit kann sie einem nicht mehr weggenommen werden) oder die Würfeln zeigen exakt die Buchstaben „P-I-Ñ-A-T-A“, dann hat man diese mit einem Schlag zerhauen und sofort gewonnen.
Auf den Karten finden sich typische mexikanische Süssigkeiten, z.B. mit Chili überzogene Lutscher, und auch einige traditionelle Spielzeuge. Die Karten können aufgedeckt oder verdeckt auf den Tisch kommen, daher weiss man nicht immer, was man gerade bekommt bzw. vom Boden aufhebt. Da können dann auch schon mal zerbrochene Bonbons oder einfach nur Konfetti in der Hand landen.
Es gibt einige fiese Aktionskarten, die für etwas Interaktion sorgen, wie das Kaugummi, mit dem sich eine Süssigkeit von einem Mitspielenden klauen lässt (sofern dieser nicht schon alle gegessen hat) oder man kann jemanden einen „Fusstritt“ verpassen, wodurch dieser 2 Karten aus der Hand verliert…. usw.
Insgesamt gibt das Spiel in vielen kleinen Details durch die grell bunten und zugleich liebevollen Illustrationen und Namen der Karten, spielmechanische Kniffs einen schönen Einblick in die mexikanische Tradition der piñata und enthält – auch z.B. für den Spanischunterricht in der Schule – zahlreiche landeskundliche Elemente.
Interessanterweise ist im selben Jahr mit Piñata Blast ein Spiel gleichfalls von einem mexikanischen Autor, Carlos Esparza, zum selben Thema bei Ravensburger erschienen. Das Spiel ist deutlich einfacher: Es wird gewürfelt. Wenn das auf dem Würfel angezeigte Elemente in meinen Handkarten ist, kann ich schnell den Würfel nehmen, die Karte ablegen und beides zusammen vor mir ablegen. Dadurch gewinne ich Punkte. Es sei denn der Würfel zeigt mit einer anderen Farbe, dass es sich um verdorbene / zerbrochene Süssigkeiten handelt…
Es geht also um das schnelle Erfassen und Reagieren, was die Hektik des Süssigkeitensammelns unter der zerbrochenen piñata gut wiedergibt – ganz im Gegensatz zu Dale un piñatazo, dem genau dieses Element fehlt. Das Spielgeschehen dort ist eher ruhig und gemächlich – im Uhrzeigersinn machen die Spielenden ihren Zug. Bei Piñata Blast sind einige wenige typische Süssigkeiten auf den Karten abgebildet. Das war es aber auch schon. Daher würde ich als thematisches Spiel für alle, die sich für Geburtstagsbräuche in anderen Ländern, piñatas im Besonderen oder Mexiko im Allgemeinen interessieren, auf jeden Fall Dale un piñatazo empfehlen.
Im nächsten Beitrag geht es dann um das Spiel „Tequila“, das im letzten Jahr die Quetzalera in auf der Roll-A-Game-Expo in Guadalajara gewonnen hat.
Mexiko in Spielen – worum geht’s?
In einer kleinen, noch offenen Reihe möchte ich ein paar Spiele vorstellen, die Mexiko als Thema haben. „Mexiko“ scheint ein durchaus beliebtes Thema in Brett- und Kartenspielen – nicht so populär wie „Wikinger“, „Mittelalter“ oder zuletzt auch immer wieder „Tiere“, aber es scheint durchaus attraktiv zu sein. Meist ist es nicht Mexiko als Ganzes, sondern bestimmte historische (wie die präkolumbianischen Kulturen, z.B. in Teothihuacan) oder kulturelle Aspekte (wie der Día de los Muertos).
Mexiko ist tatsächlich ein richtiges Brettspielland. Gespielt wird gerne und viel. Es gibt in den großen Städten Brettspielläden, Brettspielcafés, einige Autor:innen und Verlage, Blogs, Podcasts, einen eigenen Spielepreis („Quetzalera„), eigene Spiele-Messen usw. Das spielerische Zentrum des Landes liegt übrigens – ähnlich wie in Deutschland – nicht in der Hauptstadt, sondern in Guadalajara („Juegalajara“ – Verbindung aus Spanisch Juego = Spiel und dem Namen der Stadt), ca. 6,5 Autostunden nordwestlich von Mexiko-City.
Da bislang in Deutschland wenig bekannt, möchte ich zum einen Spiele mexikanischer Autor:innen vorstellen – insbesondere solche, wenn auch nicht ausschließlich, die sich auch thematisch mit Mexiko beschäftigen. Interessanterweise gibt es vergleichsweise viele hier entwickelte Spiele, die Mexiko als Thema aufgreifen – vielleicht fällt mir als Ausländer das aber auch nur besonders auf. Das Land hat auf jeden Fall spielerisch einige Entdeckungen zu bieten.
Zum anderen möchte ich auch einen Blick auf Spiele werfen, die sich mexikanisch einkleiden und untersuchen, wie die verschiedenen Aspekte mexikanischer Kultur in diesen Spielen repräsentiert werden. Damit einher geht dann auch die Frage nach dem Warum bzw. der Funktion von Mexiko als Thema in Spielen, die außerhalb des Landes sich der mexikanischen Kultur und Geschichte bedienen.
Als erstes stelle ich im folgenden Beitrag ein Spiel der mexikanischen Autorin Karla Günz vor. Sie kommt aus Guadalajara und hat 2023 das Spiel „Dale un piñatazo“ im Eigenverlag veröffentlicht.
Top 10 Lernspiele für den Geschichtsunterricht
Beim Auer-Verlag erscheint am 30. Juli ein kleines Heft:
Die Top 10 Lernspiele für den Geschichtsunterricht
Der Titel verweist auf eine Reihe und ist vom Verlag gewählt. Bei der Entwicklung und Auswahl der Spiele habe ich mich intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, was „Lernspiele“ eigentlich sind. Aus dieser Auseinandersetzung ist unter anderem dieser Beitrag im Blog entstanden.
Zwei der zehn Spiele im Heft sind ursprünglich als „Mainstream“-Spiele entwickelt und intensiv getestet, passen aber auch hervorragend als „Lernspiele“ in den Schulunterricht. Andere Spielideen sind eigens für das Heft entwickelt oder für den Geschichtsunterricht angepasst.
Bei der Auswahl war mir wichtig, dass die Spiele einerseits verschiedene Lernziele und Kompetenzen abdecken und mit eigenen Inhalten für alle Epochen und Themen angepasst und genutzt werden können.
Das Spiel „Canossa“ zum Investiturstreit bildet dabei eine Ausnahme, da Thema und Spielmechaniken hier eng verwoben sind. Das Spiel kann nur aufwendig für anderen Themen adaptiert werden, eignet sicher daher eher der Analyse der Darstellung der Geschichte in diesem Spiel und bietet damit im Heft einen einzigartigen Zugang. Alle anderen Spiele haben ausgearbeitete, fertig einsetzbare Materialien für bestimmte Themen bzw. Epochen als Kopiervorlagen dabei. Nach diesen Vorbildern können Lehrer:innen wie Lernende einfach eigene Materialien zu anderen historischen Themen für die unterschiedlichen Spielideen erstellen.
Andererseits sollten die Spiele auch spielerisch möglichst abwechslungsreich sein, z.B.: mit einem Reaktionsspiel können Fachbegriffe wiederholt und gelernt werden, mit Bildquellen, Modellzeichnungen und Verfassungsschemata können Lernende spielerisch genaue Beschreibungen üben, ein Wortratespiel fördert die Vorentlastung von Texten und konzentriertes Zuhören, ein Quizspiel eine spielerische Wiederholung zentraler Inhalte und den Austausch und die Kommunikation der Lernenden…
Es würde mich freuen, wenn das kleine Heft seinen Weg in den Unterricht vieler Klassen findet. Es lohnt sich sicher in Vertretungsstunden und vor den Ferien, aber ich bin sicher, dass es die Ideen auch einen Platz im regulären Unterricht haben können, um mit mehr Abwechslung und Motivation Geschichte zu lernen!
Moderne Lernspiele – ein Paradigmenwechsel
Wer die letzten 120 Jahre verpasst hat und heute eine Schulklasse in einer weiterführenden Schule besucht, wird sich in den meisten Fällen an die eigene Schulzeit erinnert fühlen und sich sehr gut orientieren können. Das grundlegende Setting ist weitgehend unverändert geblieben.
Es gibt zahlreiche Initiativen für eine neue Lern- und Prüfungskultur – befördert durch die Digitalisierung. In der Breite scheinen sie allerdings immer noch nicht angekommen zu sein.
Aber: In den letzten Jahren hat sich eine bemerkenswerte Veränderung vollzogen, die das Potenzial hat, diese Veränderungen des schulischen Lernens zu unterstützen und voranzutreiben: moderne Lernspiele. Spielen ist eigentlich die natürlichste Art des Lernens, kommt aber in weiterführenden Schulen kaum vor. Kurz könnte man das auf die Formel bringen: je näher dem Abitur, desto weniger Spiel.
Durch eine vermeintlich kleine, aber wesentliche Änderung bricht das moderne Lernspiel mit dem bisher bekannten, traditionellen Modell der Adaptation von einfachen Lauf- und Fragespielen oder Kreuzworträtseln für den Unterricht und bietet eine dynamische Alternative, die einen Wandel zu zeitgemäßen Unterricht unterstützt. Das heißt weg von der starken Buchorientierung und lehrerzentrierten Settings hin zu Herausforderungen, die problemlösenden Denken erfordern und Kompetenzorientierung, Selbsttätigkeit und Aktivierung der Lernenden fördern.
Spielen, Spaß und Lernen Hand in Hand
Traditionelle Lernspiele waren für traditionellen Unterricht konzipiert. Sie haben oft – zu Recht – einen schlechten Ruf, da sie mehr auf die Vermittlung von Inhalten als auf Spielspaß ausgerichtet sind. Moderne Lernspiele setzen genau hier an und drehen das Verhältnis um: Spaß, Offenheit, Interaktivität und eine ansprechende Gestaltung stehen im Vordergrund und fördern nebenbei die anvisierten Kompetenzen und Inhalte.
In einer Diskussion, die auch ich lange geführt habe, ringen Autor:innen wie Verlage um Worte. Sie suchen ein gutes Wording, um möglichst viele anzuprechen und niemanden abzuschrecken. Gute Lernspiele werden dann oft als „didaktische“, “pädagogische“ Spiele, “(spielerische) Methoden” oder so ähnlich betitelt. Im Kern sind das alles „Lern“-„Spiele“, also Spiele, die gezielt dafür entwickelt wurden, um bestimmte Aspekte – seien Kompetenzen und/oder Inhalte – durch das Medium Spiel zu fördern bzw. zu vermitteln.
Ein neuer Ansatz
Was moderne Lernspiele von ihren Vorgängern unterscheidet, ist ihre Herangehensweise bei der Entwicklung. Sie werden von Autorinnen und Autoren entwickelt, die als Spieleautor:innen arbeiten und zugleich im pädagogischen Bereich verwurzelt sind oder durch Kooperationen von Partnern aus beiden Bereichen. Die Spiele werden dann konsequent nicht nur in den eigenen Klassen, von anderen Lehrkräften oder Lernenden, sondern auch von normalen Spielgruppen getestet, um sicherzustellen, dass zunächst und vor allem ein gutes Spiel ist (siehe z.B. „Königreich der Wörter“ auf dem Göttinger Autorentreffen und jetzt hier erschienen) – dass also Spiel und der Spielspaß im Vordergrund stehen. Lerninhalte und Kompetenzen sind zwar der notwendige Ausgangspunkt, aber im Kern der Entwicklung stehen die Mechanismen des Spiels selbst. Durch diesen Ansatz wird das Lernen zu einem natürlichen Bestandteil des Spielens. In gleichem Maß lassen sich auch gute Spiele für das Lernen adaptieren und nutzen.
Ein Paradigmenwechsel
Moderne Lernspiele bieten als Spiele ein zeitgemäßes Lernsetting und tragen somit zur Weiterentwicklung des Unterrichts bei. Durch ihre Merkmale wie u.a. Selbsttätigkeit, kognitive Aktivierung, Spannung durch Wettbewerbs- und Zufallselemente, abwechslungsreiche Wiederholungen und das Angebot eines geschützten, notenfreien Spiel- und Übungsraums unterstützen sie die Lernenden dabei, sich eigenständig, spielerisch und problemorientiert in die gestellten Herausforderungen zu vertiefen. Sie können auch reduzierte interaktive Modelle oder komplexe Simulationen sein, die Erfahrungsräume bieten, in denen unterschiedliche Entwicklungen und gegenseitige Abhängigkeit ausprobiert und beobachtet werden können. Dadurch wird der Unterricht zugleich effektiver und motivierender. Der Einsatz moderner Lernspiele unterstützt den Fokuswechsel im Klassenraum von der Lehrkraft hin zu den Lernenden.
Das heißt nicht, dass auf jedem Spiel – egal, ob analog oder digital – auf dem (modernes) Lernspiel drauf steht, auch ein gutes Spiel ist. Dasselbe gilt z.B. für moderne Varianten digitaler Quizspiele – die auch nur Frontalunterricht in schicker neuer Gewandung bieten. Beispielhaft für viele Angebote sei hier nur Kahoot genannt. Gute Spiele, die Lernprozesse anregen, sind offen im Verlauf und im Ausgang (siehe dazu z.B. dieses Interview mit Stefan Köhler) . Es gilt also: Spielangebote müssen also in jedem Einzelfall geprüft werden. Zentral ist die Frage, ob die Ziele von Spiel und Lernen in Passung sind. Dafür braucht es kompetente Besprechungen und Rezensionen, wie es sie sonst auch von Spielen gibt – nur mit dem zusätzlichen Fokus auch auf das Lernen.
Eine Win-Win-Situation
Der Einsatz von modernen Lernspielen im Unterricht bietet zahlreiche Vorteile für Lehrkräfte wie Lernende. Spielen gestalten Lernprozesse interaktiver und können motivierend wirken. Nebenher werden auch allgemeine kommunikative, soziale und kognitive Fähigkeiten trainiert (siehe z.B. hier zum Thema „Demokratiefähigkeit“). Diese Win-Win-Situation macht moderne Lernspiele zu einem wichtigen Motor für zeitgemäßen Unterricht.
Insgesamt markieren moderne Lernspiele einen Paradigmenwechsel im Klassenzimmer. Sie vereinen Spielspaß und Lernerfolg auf innovative Weise und tragen dazu bei, den Unterricht lebendiger und effektiver zu gestalten. Mit ihrem Fokus auf Interaktivität und Selbsttätigkeit sind sie ein wichtiger Baustein für die Zukunft der Bildung.