Top 10 Lernspiele für den Geschichtsunterricht

Beim Auer-Verlag erscheint am 30. Juli ein kleines Heft:

Die Top 10 Lernspiele für den Geschichtsunterricht

Der Titel verweist auf eine Reihe und ist vom Verlag gewählt. Bei der Entwicklung und Auswahl der Spiele habe ich mich intensiv mit der Frage auseinandergesetzt, was „Lernspiele“ eigentlich sind. Aus dieser Auseinandersetzung ist unter anderem dieser Beitrag im Blog entstanden.

Zwei der zehn Spiele im Heft sind ursprünglich als „Mainstream“-Spiele entwickelt und intensiv getestet, passen aber auch hervorragend als „Lernspiele“ in den Schulunterricht. Andere Spielideen sind eigens für das Heft entwickelt oder für den Geschichtsunterricht angepasst.

Bei der Auswahl war mir wichtig, dass die Spiele einerseits verschiedene Lernziele und Kompetenzen abdecken und mit eigenen Inhalten für alle Epochen und Themen angepasst und genutzt werden können.

Das Spiel „Canossa“ zum Investiturstreit bildet dabei eine Ausnahme, da Thema und Spielmechaniken hier eng verwoben sind. Das Spiel kann nur aufwendig für anderen Themen adaptiert werden, eignet sicher daher eher der Analyse der Darstellung der Geschichte in diesem Spiel und bietet damit im Heft einen einzigartigen Zugang. Alle anderen Spiele haben ausgearbeitete, fertig einsetzbare Materialien für bestimmte Themen bzw. Epochen als Kopiervorlagen dabei. Nach diesen Vorbildern können Lehrer:innen wie Lernende einfach eigene Materialien zu anderen historischen Themen für die unterschiedlichen Spielideen erstellen.

Andererseits sollten die Spiele auch spielerisch möglichst abwechslungsreich sein, z.B.: mit einem Reaktionsspiel können Fachbegriffe wiederholt und gelernt werden, mit Bildquellen, Modellzeichnungen und Verfassungsschemata können Lernende spielerisch genaue Beschreibungen üben, ein Wortratespiel fördert die Vorentlastung von Texten und konzentriertes Zuhören, ein Quizspiel eine spielerische Wiederholung zentraler Inhalte und den Austausch und die Kommunikation der Lernenden…

Es würde mich freuen, wenn das kleine Heft seinen Weg in den Unterricht vieler Klassen findet. Es lohnt sich sicher in Vertretungsstunden und vor den Ferien, aber ich bin sicher, dass es die Ideen auch einen Platz im regulären Unterricht haben können, um mit mehr Abwechslung und Motivation Geschichte zu lernen!

Moderne Lernspiele – ein Paradigmenwechsel

Wer die letzten 120 Jahre verpasst hat und heute eine Schulklasse in einer weiterführenden Schule besucht, wird sich in den meisten Fällen an die eigene Schulzeit erinnert fühlen und sich sehr gut orientieren können. Das grundlegende Setting ist weitgehend unverändert geblieben.

Es gibt zahlreiche Initiativen für eine neue Lern- und Prüfungskultur – befördert durch die Digitalisierung. In der Breite scheinen sie allerdings immer noch nicht angekommen zu sein.

Aber: In den letzten Jahren hat sich eine bemerkenswerte Veränderung vollzogen, die das Potenzial hat, diese Veränderungen des schulischen Lernens zu unterstützen und voranzutreiben: moderne Lernspiele. Spielen ist eigentlich die natürlichste Art des Lernens, kommt aber in weiterführenden Schulen kaum vor. Kurz könnte man das auf die Formel bringen: je näher dem Abitur, desto weniger Spiel.

Durch eine vermeintlich kleine, aber wesentliche Änderung bricht das moderne Lernspiel mit dem bisher bekannten, traditionellen Modell der Adaptation von einfachen Lauf- und Fragespielen oder Kreuzworträtseln für den Unterricht und bietet eine dynamische Alternative, die einen Wandel zu zeitgemäßen Unterricht unterstützt. Das heißt weg von der starken Buchorientierung und lehrerzentrierten Settings hin zu Herausforderungen, die problemlösenden Denken erfordern und Kompetenzorientierung, Selbsttätigkeit und Aktivierung der Lernenden fördern.

Spielen, Spaß und Lernen Hand in Hand

Traditionelle Lernspiele waren für traditionellen Unterricht konzipiert. Sie haben oft – zu Recht – einen schlechten Ruf, da sie mehr auf die Vermittlung von Inhalten als auf Spielspaß ausgerichtet sind. Moderne Lernspiele setzen genau hier an und drehen das Verhältnis um: Spaß, Offenheit, Interaktivität und eine ansprechende Gestaltung stehen im Vordergrund und fördern nebenbei die anvisierten Kompetenzen und Inhalte. 

In einer Diskussion, die auch ich lange geführt habe, ringen Autor:innen wie Verlage um Worte. Sie suchen ein gutes Wording, um möglichst viele anzuprechen und niemanden abzuschrecken. Gute Lernspiele werden dann oft als „didaktische“, “pädagogische“ Spiele, “(spielerische) Methoden” oder so ähnlich betitelt. Im Kern sind das alles „Lern“-„Spiele“, also Spiele, die gezielt dafür entwickelt wurden, um bestimmte Aspekte – seien Kompetenzen und/oder Inhalte – durch das Medium Spiel zu fördern bzw. zu vermitteln.

Ein neuer Ansatz

Was moderne Lernspiele von ihren Vorgängern unterscheidet, ist ihre Herangehensweise bei der Entwicklung. Sie werden von Autorinnen und Autoren entwickelt, die als Spieleautor:innen arbeiten und zugleich im pädagogischen Bereich verwurzelt sind oder durch Kooperationen von Partnern aus beiden Bereichen. Die Spiele werden dann konsequent nicht nur in den eigenen Klassen, von anderen Lehrkräften oder Lernenden, sondern auch von normalen Spielgruppen getestet, um sicherzustellen, dass zunächst und vor allem ein gutes Spiel ist (siehe z.B. „Königreich der Wörter“ auf dem Göttinger Autorentreffen und jetzt hier erschienen) – dass also Spiel und der Spielspaß im Vordergrund stehen. Lerninhalte und Kompetenzen sind zwar der notwendige Ausgangspunkt, aber im Kern der Entwicklung stehen die Mechanismen des Spiels selbst. Durch diesen Ansatz wird das Lernen zu einem natürlichen Bestandteil des Spielens. In gleichem Maß lassen sich auch gute Spiele für das Lernen adaptieren und nutzen.

Ein Paradigmenwechsel

Moderne Lernspiele bieten als Spiele ein zeitgemäßes Lernsetting und tragen somit zur Weiterentwicklung des Unterrichts bei. Durch ihre Merkmale wie u.a. Selbsttätigkeit, kognitive Aktivierung, Spannung durch Wettbewerbs- und Zufallselemente, abwechslungsreiche Wiederholungen und das Angebot eines geschützten, notenfreien Spiel- und Übungsraums unterstützen sie die Lernenden dabei, sich eigenständig, spielerisch und problemorientiert in die gestellten Herausforderungen zu vertiefen. Sie können auch reduzierte interaktive Modelle oder komplexe Simulationen sein, die Erfahrungsräume bieten, in denen unterschiedliche Entwicklungen und gegenseitige Abhängigkeit ausprobiert und beobachtet werden können. Dadurch wird der Unterricht zugleich effektiver und motivierender. Der Einsatz moderner Lernspiele unterstützt den Fokuswechsel im Klassenraum von der Lehrkraft hin zu den Lernenden. 

Das heißt nicht, dass auf jedem Spiel – egal, ob analog oder digital – auf dem (modernes) Lernspiel drauf steht, auch ein gutes Spiel ist. Dasselbe gilt z.B. für moderne Varianten digitaler Quizspiele – die auch nur Frontalunterricht in schicker neuer Gewandung bieten. Beispielhaft für viele Angebote sei hier nur Kahoot genannt. Gute Spiele, die Lernprozesse anregen, sind offen im Verlauf und im Ausgang (siehe dazu z.B. dieses Interview mit Stefan Köhler) . Es gilt also: Spielangebote müssen also in jedem Einzelfall geprüft werden. Zentral ist die Frage, ob die Ziele von Spiel und Lernen in Passung sind. Dafür braucht es kompetente Besprechungen und Rezensionen, wie es sie sonst auch von Spielen gibt – nur mit dem zusätzlichen Fokus auch auf das Lernen.

Eine Win-Win-Situation

Der Einsatz von modernen Lernspielen im Unterricht bietet zahlreiche Vorteile für Lehrkräfte wie Lernende. Spielen gestalten Lernprozesse interaktiver und können motivierend wirken. Nebenher werden auch allgemeine kommunikative, soziale und kognitive Fähigkeiten trainiert (siehe z.B. hier zum Thema „Demokratiefähigkeit“). Diese Win-Win-Situation macht moderne Lernspiele zu einem wichtigen Motor für zeitgemäßen Unterricht.

Insgesamt markieren moderne Lernspiele einen Paradigmenwechsel im Klassenzimmer. Sie vereinen Spielspaß und Lernerfolg auf innovative Weise und tragen dazu bei, den Unterricht lebendiger und effektiver zu gestalten. Mit ihrem Fokus auf Interaktivität und Selbsttätigkeit sind sie ein wichtiger Baustein für die Zukunft der Bildung.

Wortschatz-Twister und Vokabel-Champions

Vokabeln zu lernen und das Üben generell gehört für Schüler:innen – wie auch für Lehrer:innen – eher zu den Herausforderungen des schulischen Fremdsprachenunterrichts – gerade, wenn der Wortschatz regelmäßig und nachhaltig erweitert werden soll.
Das eigenständige Vokabellernen findet oft außerhalb des Unterrichts statt, führt nicht selten zu Stress in den Familien und verstärkt die Ungleichheit häuslicher Voraussetzungen der Kinder. Es gibt Schulen, die Hausaufgaben abgeschafft haben, womit sich dann allerdings die Frage stellt, wie nun die Vokabeln so gelernt werden können, dass sie dauerhaft im Gedächtnis bleiben.

Dafür eignen sich aus zahlreichen Gründen Spiele sehr gut. Das liegt vor allem daran, dass Spiele Tätigkeiten wie Wiederholen und Memorieren mit Elementen wie Zufall und Glück kombinieren, die in diese sonst recht eintönigen Aktivitäten Abwechslung und Spannung reinbringen können.

Es lohnt sich also, darüber nachzudenken, wie über Spiele im Unterricht Wörter besser und nachhaltiger gelernt werden können – im Idealfall auf eine Weise, dass es Spaß macht und das Vokabellernen zuhause sogar entfallen kann. Dies geht entweder mit der Adaption moderner Spiele für den Unterricht wie z.B. Just One oder Codenames. In der „Spieleschachtel“ unseres Podcasts „Das spielende Klassenzimmer“ haben wir einige Beispiele zusammengestellt. Oder durch das Entwickeln neuer Spiele, die moderne Spielmechanismen in Beziehung zu grundlegenden Lernprozessen setzen.

Ausgehend von meiner eigene Erfahrung als Fremdsprachenlehrer, vielen Fortbildungen, die ich zum Thema angeboten habe, sowie den letzten Jahren als Spieleautor habe ich insgesamt 39 Spiele zum Vokabellernen in einem kleinen Büchlein zusammengetragen. Die Spiele sind gegliedert nach dem jeweiligen Schwerpunkt in einem der vier Kompetenzbereiche: Hören, Lesen, Sprechen, Schreiben. Alle Spiele lassen sich in einer Unterrichtsstunde unterbringen – es gibt sowohl Solo-Spiele zur individuellen Förderung wie auch Spielideen für Großgruppen. Außerdem sind Komplexität und Vorbereitungsaufwand der Spiele ausgewiesen, so auch weniger spielaffine Lehrer:innen eine schnelle Orientierung haben und zunächst die einfacher umzusetzenden Ideen ausprobieren können.

Besonders freut mich, dass mein Spiel „Königreich der Wörter“, das ich bereits 2019 beim Göttinger Spieleautorentreffen vorgestellt hatte, Eingang in das Buch gefunden hat – in einer leicht adaptierten Version für den Unterricht. Alle Spiele wurden intensiv getestet – im Unterricht, bei Fortbildungen und bei Spieletreffen wie z.B. in Nürnberg oder wie zuletzt auf der SPIEL in Essen. Das Buch stellt den Versuch dar, beispielhaft für die Wortschatzarbeit zu zeigen, wie sich Mechanismen moderner Brett- und Kartenspiele sinnvoll und gewinnbringend für das Lernen in der Schule nutzen lassen!

Link zur Publikation beim Friedrich-Verlag:

https://www.friedrich-verlag.de/shop/klassenspiele-fuer-wortschatz-twister-und-vokabel-champions-31796

„Hellenion“ – ein Spiel zur griechischen Kolonisation

„Hellenion“ ist das bereits vierte Spiel in der Copy&Play-Reihe, das im Raabe-Verlag für den Geschichtsunterricht erscheint.

In „Hellenion“ reisen die Spielenden zu den alten Griechen und leiten miteinander konkurriende Poleis. Sie bauen Schiffe und Tempel, handeln mit den anderen Städten, reisen zum Orakel von Delphi, gründen Kolonien… am Ende gewinnt die Polis mit dem größten Wohlstand.

Aus der Reihe ist „Hellenion“ vermutlich das komplexeste Spiel, was das Classroom Management angeht. Die Lehrkraft nimmt die Rolle einer Spielleitung ein und führt durch die Runden, in denen nach und nach mehr Spielmöglichkeiten erschlossen wird. In der Umsetzung ist dies sehr einfach durch eine ergänzende PowerPoint-Präsentation, die für Spielleitung und Spielende die jeweils relevanten Informationen darstellt.

Eine Besonderheit an „Hellenion“ ist, dass das Klassenzimmer als Spielraum miteinbezogen. Dabei stellen die Tische der Schüler:innen Inseln dar, zwischen denen mit Schiffen gereist und gehandelt werden kann. Kommunzieren können die Spielenden miteinander nur, wenn sie in derselben Polis, also am selben Tisch sind.

Die Symbole sind genauso gewählt wie in den vorangehenden Spielen zum Leben in der Steinzeit und zum römischen Limes. Was Lehrer:innen wie Schüler:innen, die diese bereits kennen, eine leichte Orientierung ermöglicht.

Das Spiel gibt es ab Montag, 25.03.2024, online beim Raabe-Verlag zum Download. In einer Voranschau lässt sich schon das Spielmaterial und die Anleitung in Teilen schon lesen.

Axolotl – das Spiel

Seit 2018 ist in Mexiko auf Beschluss des Senats der Republik der 1. Februar jeden Jahres der nationale Tag des Axolotl (span. día nacional del ajolote).

Der Axolotl ist ein besonderes endemisches Tier, das ausschließlich in den Seen und Kanälen bei Mexiko-Stadt vorkommt. Es verbringt sein ganzes Leben im Wasser. Sein Name, „Axolotl“, kommt aus dem Náhuatl, der Sprache der Azteken, und bedeutet „Wassermonster“.

Der Axolotl ist einzigartig, weil er keine Verwandlung vom Baby zum Erwachsenen durchmacht, sondern immer so bleibt, wie er ist. Er kann sogar Körperteile wie Beine, Organe und sogar Teile seines Gehirns und Herzens nachwachsen lassen, wenn sie verletzt werden.

Wildlebende Axolotl essen gerne kleine Fische, Krebstiere und Insektenlarven. Sie sind nachtaktiv und sogenannte Lauerjäger. Das heißt, sie warten darauf, dass Beute in ihre Nähe kommt. Daher zeichnet sich ihr Jagdverhalten durch lange Ruhephasen aus.

Die Menschen haben Fische wie Karpfen oder Tilapia ausgesetzt, die Axolotl fressen, und durch Müll und Abwässer sie Kanäle und Seen stark verschmutzt. Die Axolotl sind so selten geworden, dass Experten sie als “vom Aussterben bedroht“ einstufen. Es gibt nur noch sehr wenige von ihnen in freier Wildbahn. Es ist wichtig, sich um diese besonderen Tiere zu kümmern, damit sie nicht für immer verschwinden.

Der nationale Axolotl-Tag dient dazu Bedeutung der Tiere für das gesamte Ökosystem und die mexikanische Kultur zu erinnern. Das Museum in Pachuca (Facebook-Seite) veranstaltet einen großen Publikumstag. Um das Museum und den Tag zu unterstützten ist dieses Spiel (auf Spanisch) gedacht und das dort kostenlos angeboten wird. Eine deutsche Print&Play-Version findet ihr hier zum Runterladen.

„Axolotl“ ist ein kooperatives Spiel für zwei Personen mit einer Spielzeit von ca. 10 Minuten. Das Download-Materialien besteht aus 2 PDF-Dateien: In der einen finden sich 3 Seiten mit 27 Karten, in der anderen die Spielregeln. Weitere Materialien sind nicht notwendig. Idealerweise werden die Karten direkt auf etwas dickeres Papier gedruckt oder anschließend auf Kartonpapier geklebt, so dass man die Vorderseite nicht sehen kann.

Viel Spaß beim Spielen!

Spielend Demokratie fördern

Brettspiele und Demokratie? Das hat viel miteinander zu tun, finden wir. Gemeinsam mit Christian Beiersdorfer von der SAZ und Lukas Boch von Boardgame Historian haben wir für die aktuelle Ausgabe von „Politik & Kultur“ der Zeitung des deutschen Kulturrats einen Beitrag verfasst.

Die gesamte Ausgabe lässt sich hier als PDF herunterladen, unser Beitrag findet sich auf Seite 4:

Direkter Link zum PDF:

https://www.kulturrat.de/wp-content/uploads/2024/01/puk02-24.pdf

Muss ich selber spielen?

To be a game designer, you have to be a gamer first.

https://www.kathleenmercury.com/intro-to-games-through-play.html

Um als Lehrerin oder Lehrer Spiele im Unterricht zu nutzen, muss ich dafür auch selbst spielen?

Das dachte ich bislang, sehr lang. Ich glaube aber, dem ist gar nicht so, und ich möchte kurz erklären, warum.

Natürlich – das vorne weg gesagt – ist es einfacher, wenn man selbst gerne spielt, um dann analoge und/oder digitale Spiele mit in den Unterricht zu nehmen. Aber, und das ist das Entscheidende, es ist kein Muss.

Spiele sind Medien – genauso wie Bücher, Comics oder Filme. Kein/e Lehrer/in muss Regisseur/in oder begeisterte/r Kinogänger/in sein, um Spiel- oder Dokumentarfilme für das Lernen im eigenen Fach zu nutzen. Nerd sein ist keine Voraussetzung. Begeisterung ist super, aber keine notwendige Bedingung.

Notwendig ist, eine professionelle, hier im Sinne einer medien- und fachdidaktischen Auseinandersetzung mit Filmen als Medien. Alle Medien haben spezifische Eigenschaften, was u.a. ihre Funktionen und ihre Wirkung angeht – und zwar sowohl allgemein, wie auch was das jeweilige Fach betrifft. Die muss ich kennen, um sie sinnvoll als „Lern“-Medium nutzen zu können.

Das gilt genauso für Spiele. Dafür kommt nicht drum rum um das Spielen von Spielen: genauso wie ein/e Lehrer/in vor der Auseinandersetzung damit im Unterricht das Buch liest oder den Film schaut. Zentral scheint mir dabei der Perspektivwechsel von der Aktivität „spielen“ als Methode hin zum Verständnis von „Spielen“ – analog wie digital -, denen man sich mit unterschiedlichen Methoden des Game-Based Learning nähern kann. Was entsprechend noch weitgehend fehlt, sind neben einer grundlegenden Strukturierung auch Einführungen und Hilfestellungen, die Spiele in diesem Sinn als Medien für das schulische Lernen zugänglich machen: Was sind die besonderen Eigenschaften von Spielen? Wann und wofür ist ein Spiel ein Medium, das besser geeignet ist als z.B. ein Buch oder ein Film? Was gilt es zu beachten, wenn ich ein Spiel im Unterricht einsetzen möchte? Was sind notwendige Voraussetzungen? Wie ist das Classroom Management zu gestalten? usw.

Heute kaum noch vorstellbar, bis in die 1980er Jahre machten Lehrer/innen noch Filmvorführscheine, um die 16mm-Filmprojektoren bedienen zu können – diese wurden dann erst nach und nach durch Videorekorder abgelöst, die viele Schülerinnen und Schüler damals besser bedienen konnten als ihre Lehrer/innen – der eine oder die andere wird sich erinnern. Auch bei Filmen war der Unterrichtseinsatz also kein „Selbstläufer“, sondern musste didaktisch wie organisatorisch erlernt und durchdacht werden, bevor er irgendwann aus dem schulischen Unterricht nicht mehr wegzudenken war. Wesentlich dazu beitragen haben zahlreiche Bücher, Materialhefte, Initiativen, Lobbyarbeit und Handreichungen – und nicht zuletzt die Integration von Filmen in die Lehrpläne und Schulbücher mehrerer Fächer wie u.a. Deutsch und Geschichte.

Auch für Comics wurde lange um die Anerkennung und Aufnahme die Schule gerungen. Heute sind sie selbstverständlich in zahlreiche Fächer integriert – Auszüge aus Comics finden sich mittlerweile wie selbstverständlich in den Schulbücher der Mittelstufe in den sprachlichen Fächern, in Geschichte oder Politik. Dabei sind noch lange nicht alle Lehrer/innen Comic-Fans geworden – und das müssen sie auch nicht.

Wenn ich selbst gerne lese, Filme schaue, Spiele spiele, fällt es mir natürlich leichter, relevante, interessante und neue Medien für meinen Unterricht zu finden und auszuwählen. Das eigene Hobby, die persönliche Leidenschaft in die Schule einbringen zu können ist ein Glücksfall, aber im Sinne eines professionellen Lehrerhandelns kann und darf ich mich nicht darauf beschränken. Gerade methodische und mediale Vielfalt macht Lernen in der Schule interessant. Dafür braucht es eine gute Kenntnis der jeweiligen medialen Eigenheiten und der Vorteile jedes Mediums für unterschiedliche Lernsituationen und Ziele.

Außerdem: In der Regel wird für den Unterricht eine Aus- oder Vorauswahl von Medien getroffen, die andere für geeignet halten oder als verpflichtend setzen – z.B. durch die Lehrpläne oder als Vereinbarungen in den schulischen Fachschaften. Der Normalfall ist also, dass ich als Lehrer/in in der Lage sein muss, relevante Medien in der Schule professionell für das Lernen nutzen oder ihre Nutzung durch die Lernenden begleiten zu können.

Bücher, Filme, Comics sind selbstverständliche Teile der Lehrer/innen-Ausbildung und der Fachdidaktischen – für analoge und digitale Spiele gibt es erste Ansätze, aber bis zur gleichberechtigten Anerkennung scheint es noch ein langer Weg…

Brettspiele in der Schule – präsentiert von einer KI

Mal ganz grundlegend: Beautiful.ai erstellt automatisch Präsentationen. Ich habe die KI gebeten, Folien zum Thema „Brettspiele im Unterricht“ zu erstellen. Das war der ganze Prompt und es hat weniger als 2 Minuten gedauert, die unten stehende Präsentation zu erhalten. Das Ergebnis ist – sagen wir mal – gemischt, vor allem die Bilder sind suboptimal gewählt und auch die Inhalte sind nicht durchgängig sinnvoll.

Zur Bebilderung von „Brettspiel“ werden 1x Schach und 2x Monopoly gewählt. Wirklich kurios sind allerdings die Bilder zu den Personen, speziell zu „Lehrer“ und „Pädagogin“. „Jürgen Schulze“ ist kein mir bekannter Spieleautor – und auch die Suche in Boardgamegeek liefert keine Treffer zu dieser (fiktiven?) Person. Die Bilderrückwärtssuche zeigt, Jürgen Schulze gibt es (vermutlich) wirklich. Das Bild ist von Xing übernommen. Auch die Schüler*innen der 5. Klasse wirken für mein Empfinden etwas zu alt für die angegebene Klassenstufe. Aber wer weiß: vielleicht haben sie ein paar Mal die Klasse wiederholt?

Einige Überschriften ergeben wenig Sinn und Zusammenhang mit den Inhalten der Folien. Bei der Suche nach den „Lieblingsspielen“ wird eine Wortwolke gezeigt, in der das Wort Spiel in unzählen Kombinationen aufgezeigt wird. Sinnvoll ist das nicht. Wenn ihr mal reinschauen wollt, hier findet ihr alle Folien der automatisch generierten Präsentation als PDF:

BoardGameChat – eine KI-Anwendung für Brettspiele

Wie viele Karten bekommt nochmal jede Person? Wie war das mit dem Spielende, wie wird das eingeleitet?

Solche Fragen kennt ihr? Langes Suchen nach Regeldetails könnte bald vorbei sein: Schaut euch mal den BoardGameChat an.

Der ChatBot basiert auf ChatGPT 3.5. Leider bietet die Seite keine Informationen zu Datenschutz oder den Personen dahinter, aber einen Link zu einer Discord-Gruppe. Die Online-Anwendung funktioniert aktuell nur auf Englisch und mit relativ wenigen Spielen, aber zeigt, was für ein Potential in „Large Language Models“ wie dem bekannten ChatGPT auch für analoge Brettspiele steckt.

Über das Eingabefenster kann ich in Dialoge mit dem Chat treten, der meine Frage zu dem ausgewählten Spiel beantwortet und sich diesen Dialog auch merkt, so dass ich meine Fragen mit Bezug auf das bereits vorher Geschriebene – sofern nötig – verfeinern oder präzisieren kann.

Der Chat-Bot bietet damit einen hilfreichen Service, der umständliches Nachschlagen von Regeldetails erheblich erleichtert. Das ist nichts ganz Neues: So gibt es bereits z.B. ChatPDF – eine Online-Anwendung, die mir erlaubt PDF-Dateien hochzuladen und dann mit dem Chat in einen Dialog über den Text in den PDF-Dokumenten zu treten. Was z.B. eine andere Art der Suche von Informationen in umfangreichen Texten ermöglicht.

Aktuell sind viele Spielanleitungen als eben gerade PDF-Dateien im Internet frei verfügbar. Es ist vermutlich nur eine Frage der Zeit bis der erste Verlag einen entsprechenden Chat für die eigenen Spiele anbietet – mehrsprachig und mit für diese Art der Nutzung optimierten Datensätzen gefüttert…

Vielleicht lässt sich daraus aber auch ein offenes, von der Gemeinschaft der Nutzer:innen betriebenes OpenSource-Projekt entwickeln?

Wie auch immer: Wir dürfen gespannt sein! Und wer sich beteiligen will, findet im Discord eine noch kleine, aber aktive Community rund um das erst ein paar Tage alte Projekt.

Brettspiele in Venezuela – Teil 2

Das Beitragsbild zeigt einen typischen Ausschnitt dessen, was man in einem normalen Spielzeugladen in der Hauptstadt Caracas an Spielen kaufen kann. Moderne Brett- und Kartenspiele sind schwer zu bekommen und Spieleautor:innen gibt es auch nur wenige. Lou Paris gehört zu den Venezolanern, die seit langem emigiert sind und nicht mehr im Land leben. Er ist Spieleautor, verlegt seine Spiele selbst und hat mit Burdaerata das vermutlich bekannteste und zugleich ein sehr venezolanisches Kartenspiel erfunden. Per E-Mail habe ich ein Interview mit ihm geführt, in dem etwas über sich und seine Arbeit als Spieleautor erzählt.

[Das Interview steht hier in deutscher Übersetzung. Wer das spanische Original nachlesen möchte, findet dies unter dem Text als PDF verlinkt. Den ersten Teil könnt ihr hier lesen. – La entrevista está disponible aquí traducida al alemán. Si deseen leer el original en español, lo encontrarán enlazado como PDF debajo del texto. Pueden leer la primera parte aquí.]

Hallo Lou, schön, dass du dir die Zeit nimmst. Magst du dich den Leser:innen kurz vorstellen?

Hallo Daniel. Vielen Dank an dich für die Vorbereitung dieses Interviews. Heute möchte ich deinen Lesern zwei Spieleserien vorstellen, die wir in den letzten vier Jahren entwickelt haben: Burdaerata und Pragaming AF.

Was magst du über dich erzählen?

Ich wurde in Venezuela geboren, wuchs aber in Kanada und den Vereinigten Staaten auf. Ich habe in sechs Ländern gelebt und gearbeitet, darunter auch in Deutschland (ja, ich kann Deutsch!). Ich habe fünf Jahre lang in Winterberg, NRW, gelebt. Es hat mir super gefallen, aber 2006 entschied ich mich, zurück nach Florida zu ziehen, weil meine ganze Familie dort war.

In die Welt der Spieleentwicklung bin ich zufällig geraten. Es fing mit einem Experiment an und entwickelte sich zu etwas, das stetig gewachsen ist. Jetzt erzähle ich euch mehr über die Entstehung dieser Spiele… Mein akademischer Hintergrund hat wenig mit der Entwicklung dieser Art von Projekten zu tun. Ich habe Ingenieurwesen und Betriebswirtschaft studiert, aber ich habe immer gerne an Projekten gearbeitet, die Kreativität und künstlerische Fähigkeiten erfordern.

Ich habe über ein Jahrzehnt lang als Leiter der Abteilung für Unternehmertum an der Stetson University gearbeitet. In dieser Funktion hatte ich die Gelegenheit, viele Arten von Unternehmen zu bewerten, darunter auch das eine oder andere Brettspiel. Dort habe ich gelernt, wie groß der Spielemarkt in den Vereinigten Staaten ist. Zum Beispiel soll Cards Against Humanity einen Marktwert von 500 Millionen Dollar haben.

In meiner Freizeit widme ich mich meiner Familie, der Fotografie und dem Mountainbiking.

Wo lebst du heute?

Ich wohne in Port Orange, Florida. Das ist eine Stadt südlich von Daytona Beach, wo die berühmten NASCAR-Rennen ausgetragen werden. Ich wohne 7 Meilen vom Strand entfernt, was ich sehr schätze.

Was machst du mit Brett- und Kartenspielen?

Hinter dem Tisch in der Speisekammer haben wir einen Schrank mit Bildern, Büchern und vielen Spielen. Sehr oft setze ich mich mit meiner Familie zusammen, um eines dieser Spiele zu spielen. Die Spiele, die wir am häufigsten spielen, sind Uno, Scrabble, Boggle und eines meiner Spiele, Rumba con Misses.

Wie bist du zur Entwicklung von Brettspielen gekommen?

Wie ich bereits erwähnt habe, bin ich eher zufällig in die Welt der Spiele eingestiegen. Zu der Zeit verkaufte ich Fußmatten über Amazon. Wir waren mit diesem Geschäft erfolgreich, und ich fragte mich, ob es möglich wäre, dasselbe mit anderen Produkten zu tun, die eher eine Nische darstellen. Auf meiner Ideenliste stand ein Spiel, das wie Cards Against Humanity funktionierte, aber einen spezifischeren kulturellen Fokus hatte, z.B. von einem einzigen spanischsprachigen Land: Venezuela.

Von Cards Against Humanity hatte bereits versucht, eine spanische Version auf den Markt zu bringen, aber die Ergebnisse waren nur mittelmäßig. Meine Theorie war, dass sie gescheitert sind, weil die verwendete Sprache zu allgemein war (sie wollten ein Spiel machen, das jeder, egal aus welchem Land, verstehen konnte). Ich dachte, es würde nur funktionieren, wenn es sehr umgangssprachliche Ausdrücke enthielte. Also beschlossen wir, eine Version für den venezolanischen Markt zu entwickeln. Am Anfang war es ein Experiment, aber als ich anfing, Ausdrücke und Wörter zu sammeln, um das Spiel zu entwickeln, wurde mir der kulturelle Wert des Spiels bewusst.

Lass mich das kurz erklären: Ich hatte jahrzehntelang außerhalb Venezuelas gelebt, und nur wenn ich mich mit Freunden und Familie traf, hatte ich die Gelegenheit, mich an angenehme Momente in diesem Land zu erinnern (die aktuelle Situation in Venezuela ist schrecklich, aber das wäre ein Thema für ein anderes Gespräch). Mir wurde klar, dass dieses Spiel geeignet war, diese Gespräche zu fördern und die Erinnerung an diese Kultur wach zu halten. Ich erstellte einen Prototyp und spielte ihn. Es war ein voller Erfolg bei meinen Freunden.

Mit dieser positiven Rückmeldung beschlossen wir, mit der ersten Produktion von Burdaerata zu beginnen (der Name kommt von der Art und Weise, wie die Venezolaner „burda de rata“ aussprechen, was so viel wie „sehr schlechte Person“ bedeutet). Im ersten Jahr, in dem wir das Spiel auf den Markt brachten, haben wir überhaupt keine Werbung dafür gemacht. Ein oder zwei andere Spiele wurden verkauft, aber in Wahrheit wusste fast niemand, dass es existiert. Bis ich eines Tages, während der Pandemie im Jahr 2020, in meinem Büro arbeitete und das Telefon anfing, Verkaufsmeldungen in einer nie dagewesenen Geschwindigkeit auszusenden. Offensichtlich war etwas passiert, aber wir wussten nicht was. Nachdem wir eine Stunde lang alle sozialen Netzwerke durchsucht hatten, fanden wir schließlich die Quelle für all diese Verkäufe: Ein berühmter venezolanischer Radiomoderator hatte Burdaerata in einem seiner Video-Podcasts gespielt. Seitdem reißen die Verkäufe nicht mehr ab.

Welche Spiele hast du sonst noch erfunden? Wie funktionieren sie und was magst du an deinen Spielen?

Burdaerata war das erste Spiel, das ich erfunden habe. Ich habe es als MVP (minimal viable product = als minimal funktionierende, maximal reduzierte Produktversion) veröffentlicht. Es hatte eine Menge Fehler, sowohl im Inhalt als auch im Druck. Auch die Herstellungsqualität war schrecklich. Die Firma, die wir anfangs beauftragt hatten, leistete sehr schlechte Arbeit. Aber den Leuten war das egal, sie haben es weiter gekauft.

Nachdem wir viele Exemplare verkauft hatten, beschlossen wir, mit der Öffentlichkeit zu sprechen und um Feedback zu bitten, um das Spiel zu verbessern. Das Feedback, das wir erhielten, war sehr einheitlich: Wir sollten weniger auf die venezolanische Politik eingehen, weniger Namen bestimmter berühmter Personen verwenden und mehr Phrasen einbauen, die alle Regionen des Landes repräsentieren. Mit diesem Feedback und einer neuen Produktionsfirma haben wir die zweite Version des Spiels veröffentlicht.

Angesichts des Erfolgs, den wir hatten, wollten wir unbedingt weitere Versionen produzieren. Unter anderem wurden wir um Karten mit gröberen Sätzen und Ausdrücken gebeten. Also schufen wir die „Candela-Erweiterung„. Ich finde es immer noch lustig, dass diese Empfehlungen hauptsächlich von älteren Damen kamen.

Dann sahen wir die Gelegenheit, ein Strategiespiel zu entwickeln, das wir Rumba con Misses nannten. In diesem Spiel beschlossen wir, andere Aspekte der venezolanischen Kultur sowie die Bedeutung, die wir Schönheitswettbewerben beimessen, zu feiern (Venezuela, mit einer Bevölkerung von 30 Millionen, hat sieben Mal die Miss Universe gewonnen – einmal weniger als die Vereinigten Staaten, mit einer zehnmal größeren Bevölkerung).

Bei diesem Spiel muss man drei Rumbas sammeln, um zu gewinnen. Jede Rumba besteht aus einer Miss, einem DJ (im Spiel repräsentatiert durch berühmte venezolanische Musiker) und einem (für Venezuela typischen) alkoholischen Getränk.

In jüngster Zeit haben wir eine Version von Burdaerata mit dem bekannten venezolanischen Komiker Emilio Lovera entwickelt. Wir halfen ihm bei der Erstellung der Karten und fügten jeder Karte einen QR-Code hinzu, damit die Spieler hören können, was er sagt.

Diese QR-Code-Idee brachte uns schließlich dazu, ein Spiel für den amerikanischen Markt zu entwickeln. Genauer gesagt für den Markt der College-Studenten: Pregaming AF (Pregaming bezieht sich auf die Aktivität, sich bei jemandem zu Hause zu treffen, um zu trinken, bevor man in eine Bar geht. „AF“ steht für „Ace F**k„). In diesem Spiel scannen die Spieler, wenn sie an der Reihe sind, eine Karte und hören, wie eine Figur sagt, welche Buße sie tun müssen, weil sie sonst trinken müssen.

Vielen Dank!