Kurz nach dem ChatGPT freigegeben wurde, habe ich mich gefragt, wie dieser wohl mit Elementen aus dem Spiel Textura umgehen würde. „Textura“ besteht aus sehr reduziertem Spielmaterial: Inhalts- und Verknüpfungskarten, mit denen die Spielenden Geschichtsnarrative erstellen können. Zentral dabei ist das sinnvolle Verknüpfen der Inhalte. Dies kann und sollte auf vielfältige durch konsekutive, kausale, finale, temporale usw. Verbindungen erfolgen, um die Zusammenhänge von Ereignissen, Personen und Strukturen darzustellen. Die Verknüpfungskarten dienen den Lernenden als Anregung und Hilfe. Mit den abgelegten Karten bietet Textura dann eine Visualisierung der Erzählstruktur.
Aus einem der Sets habe ich sechs Kartentitel ausgewählt und in ChatGPT eingegeben. Darunter die obigen drei. Der genaue Prompt ist unten im Bild zu sehen. Heraus kam ein relativ langer Text.
Interessant fand ich, und damit hatte ich nicht gerechnet, dass die Ereignisse nur in chronologischer Reihenfolge aufgelistet („Ein wichtiger Wendepunkt“, „Ein weiteres wichtiges Konzept“, „ein weiteres wichtiges Ereignis“ usw.) und kurz erklärt werden. Eine wie auch immer geartete Verknüpfung erfolgt nicht. Auch durch weitere, ergänzende Prompts konnte ich keine wesentliche Verbesserung des Texts erreichen.
Das ließ mich darüber nachdenken, ob das Lernen mit Spielen generell nicht eine gute Möglichkeit wäre, das eigene Denken der Lernenden anzuregen und Lerngelegenheiten zu schaffen, in denen der ChatGPT keine Hilfe ist. Eine Herausforderung für Schule stellen aktuell u.a. die bisherigen Aufgabenstellungen mit ihren oft festen, im Vorhinein feststehenden Lösungen dar, die in der Digitalität obsolet geworden sind. Das ist schon länger so, ChatGPT führt es nur erneut besonders eindrucksvoll vor Augen.
Für spielebasiertes Lernen, game-based learning, also das Lernen an/ mit / über / in anlogen und digitalen Spielen gibt es ganz unterschiedliche Ansätze, Methoden und Möglichkeiten. Für den Geschichtsunterricht haben Daniel Behnke und ich versucht, das mal zugleich praxisnah und systematisch zu fassen in einem kleinen Heft.
Was macht nun das spielende Lernen aus im Gegensatz zu sonst üblichen Aufgaben im Unterricht, die vom ChatGPT im Handumdrehen erledigt werden können?
Hier eine erste Sammlung von 5 Punkten zur Diskussion und Ergänzung:
- Spiele ermöglichen das aktive Anwenden des Gelernten. Damit wird das Verständnis eines Gegenstands und von Zusammenhängen zugleich vertieft und verbessert (siehe für Lernen von Geschichte z.B. analoge Spiele wie Codenames, Just One oder digitale Spiele wie Through the darkest of times, sowie in geringerem Maße auch spielerische Lernangebote wie Mission1929 oder der interaktive Graphic Novel Herbst89. Auf den Straßen von Leipzig).
- Die Anwendung erfolgt in unterschiedlichen Kontexten und erhöht damit die Chance zum Transfer des Gelernten gegenüber einfachen Abfragen, Zusammenfassungen oder Definitionen. Ergänzt durch Zufallselemente generieren Spiele Abwechslung und Varianz. Übungs- und Wiederholungsphasen werden so interessanter.
- Abgesehen von Quiz-Spielen stehen die Lösungen meist nicht von Vornherein fest und sind nicht vorhersehbar, sondern werden in der Spielsituation generiert bzw. durch die Spielenden gefunden. Auf diese Weise erfordern und fördern Spiele kreatives und/oder problemlösendes Denken und damit die Entwicklung kognitiver Fähigkeiten.
- Der Rahmen des Spiels und seiner Regeln verhindert das Hinzunehmen von Hilfsmitteln, was im Spiel eben just die reizvolle Herausforderung darstellt, im vorgegebenen Rahmen spezifische und funktionierende, im Sinne von im Spiel zu Erfolg führenden, Antworten oder Lösungen zu finden.
- In der Regel gibt es in Spielen mehr als eine richtige Entscheidung oder Lösung. Spiele bieten Räume für (sanktionsfreies) Ausprobieren von Handlungen und Lösungsideen. Ist der gewählte Ansatz nicht erfolgreich, erhalten die Spielenden direktes Feedback, können dieses eine Element oder das ganze Spiel erneut spielen und so ihre Fähigkeiten und/oder ihr Wissen in der Wiederholung trainieren.