Vokabeln zu lernen und das Üben generell gehört für Schüler:innen – wie auch für Lehrer:innen – eher zu den Herausforderungen des schulischen Fremdsprachenunterrichts – gerade, wenn der Wortschatz regelmäßig und nachhaltig erweitert werden soll. Das eigenständige Vokabellernen findet oft außerhalb des Unterrichts statt, führt nicht selten zu Stress in den Familien und verstärkt die Ungleichheit häuslicher Voraussetzungen der Kinder. Es gibt Schulen, die Hausaufgaben abgeschafft haben, womit sich dann allerdings die Frage stellt, wie nun die Vokabeln so gelernt werden können, dass sie dauerhaft im Gedächtnis bleiben.
Dafür eignen sich aus zahlreichen Gründen Spiele sehr gut. Das liegt vor allem daran, dass Spiele Tätigkeiten wie Wiederholen und Memorieren mit Elementen wie Zufall und Glück kombinieren, die in diese sonst recht eintönigen Aktivitäten Abwechslung und Spannung reinbringen können.
Es lohnt sich also, darüber nachzudenken, wie über Spiele im Unterricht Wörter besser und nachhaltiger gelernt werden können – im Idealfall auf eine Weise, dass es Spaß macht und das Vokabellernen zuhause sogar entfallen kann. Dies geht entweder mit der Adaption moderner Spiele für den Unterricht wie z.B. Just One oder Codenames. In der „Spieleschachtel“ unseres Podcasts „Das spielende Klassenzimmer“ haben wir einige Beispiele zusammengestellt. Oder durch das Entwickeln neuer Spiele, die moderne Spielmechanismen in Beziehung zu grundlegenden Lernprozessen setzen.
Ausgehend von meiner eigene Erfahrung als Fremdsprachenlehrer, vielen Fortbildungen, die ich zum Thema angeboten habe, sowie den letzten Jahren als Spieleautor habe ich insgesamt 39 Spiele zum Vokabellernen in einem kleinen Büchlein zusammengetragen. Die Spiele sind gegliedert nach dem jeweiligen Schwerpunkt in einem der vier Kompetenzbereiche: Hören, Lesen, Sprechen, Schreiben. Alle Spiele lassen sich in einer Unterrichtsstunde unterbringen – es gibt sowohl Solo-Spiele zur individuellen Förderung wie auch Spielideen für Großgruppen. Außerdem sind Komplexität und Vorbereitungsaufwand der Spiele ausgewiesen, so auch weniger spielaffine Lehrer:innen eine schnelle Orientierung haben und zunächst die einfacher umzusetzenden Ideen ausprobieren können.
Besonders freut mich, dass mein Spiel „Königreich der Wörter“, das ich bereits 2019 beim Göttinger Spieleautorentreffen vorgestellt hatte, Eingang in das Buch gefunden hat – in einer leicht adaptierten Version für den Unterricht. Alle Spiele wurden intensiv getestet – im Unterricht, bei Fortbildungen und bei Spieletreffen wie z.B. in Nürnberg oder wie zuletzt auf der SPIEL in Essen. Das Buch stellt den Versuch dar, beispielhaft für die Wortschatzarbeit zu zeigen, wie sich Mechanismen moderner Brett- und Kartenspiele sinnvoll und gewinnbringend für das Lernen in der Schule nutzen lassen!
„Hellenion“ ist das bereits vierte Spiel in der Copy&Play-Reihe, das im Raabe-Verlag für den Geschichtsunterricht erscheint.
In „Hellenion“ reisen die Spielenden zu den alten Griechen und leiten miteinander konkurriende Poleis. Sie bauen Schiffe und Tempel, handeln mit den anderen Städten, reisen zum Orakel von Delphi, gründen Kolonien… am Ende gewinnt die Polis mit dem größten Wohlstand.
Aus der Reihe ist „Hellenion“ vermutlich das komplexeste Spiel, was das Classroom Management angeht. Die Lehrkraft nimmt die Rolle einer Spielleitung ein und führt durch die Runden, in denen nach und nach mehr Spielmöglichkeiten erschlossen wird. In der Umsetzung ist dies sehr einfach durch eine ergänzende PowerPoint-Präsentation, die für Spielleitung und Spielende die jeweils relevanten Informationen darstellt.
Eine Besonderheit an „Hellenion“ ist, dass das Klassenzimmer als Spielraum miteinbezogen. Dabei stellen die Tische der Schüler:innen Inseln dar, zwischen denen mit Schiffen gereist und gehandelt werden kann. Kommunzieren können die Spielenden miteinander nur, wenn sie in derselben Polis, also am selben Tisch sind.
Die Symbole sind genauso gewählt wie in den vorangehenden Spielen zum Leben in der Steinzeit und zum römischen Limes. Was Lehrer:innen wie Schüler:innen, die diese bereits kennen, eine leichte Orientierung ermöglicht.
Das Spiel gibt es ab Montag, 25.03.2024, online beim Raabe-Verlag zum Download. In einer Voranschau lässt sich schon das Spielmaterial und die Anleitung in Teilen schon lesen.
Seit 2018 ist in Mexiko auf Beschluss des Senats der Republik der 1. Februar jeden Jahres der nationale Tag des Axolotl (span. día nacional del ajolote).
Der Axolotl ist ein besonderes endemisches Tier, das ausschließlich in den Seen und Kanälen bei Mexiko-Stadt vorkommt. Es verbringt sein ganzes Leben im Wasser. Sein Name, „Axolotl“, kommt aus dem Náhuatl, der Sprache der Azteken, und bedeutet „Wassermonster“.
Der Axolotl ist einzigartig, weil er keine Verwandlung vom Baby zum Erwachsenen durchmacht, sondern immer so bleibt, wie er ist. Er kann sogar Körperteile wie Beine, Organe und sogar Teile seines Gehirns und Herzens nachwachsen lassen, wenn sie verletzt werden.
Wildlebende Axolotl essen gerne kleine Fische, Krebstiere und Insektenlarven. Sie sind nachtaktiv und sogenannte Lauerjäger. Das heißt, sie warten darauf, dass Beute in ihre Nähe kommt. Daher zeichnet sich ihr Jagdverhalten durch lange Ruhephasen aus.
Die Menschen haben Fische wie Karpfen oder Tilapia ausgesetzt, die Axolotl fressen, und durch Müll und Abwässer sie Kanäle und Seen stark verschmutzt. Die Axolotl sind so selten geworden, dass Experten sie als “vom Aussterben bedroht“ einstufen. Es gibt nur noch sehr wenige von ihnen in freier Wildbahn. Es ist wichtig, sich um diese besonderen Tiere zu kümmern, damit sie nicht für immer verschwinden.
Der nationale Axolotl-Tag dient dazu Bedeutung der Tiere für das gesamte Ökosystem und die mexikanische Kultur zu erinnern. Das Museum in Pachuca (Facebook-Seite) veranstaltet einen großen Publikumstag. Um das Museum und den Tag zu unterstützten ist dieses Spiel (auf Spanisch) gedacht und das dort kostenlos angeboten wird. Eine deutsche Print&Play-Version findet ihr hier zum Runterladen.
„Axolotl“ ist ein kooperatives Spiel für zwei Personen mit einer Spielzeit von ca. 10 Minuten. Das Download-Materialien besteht aus 2 PDF-Dateien: In der einen finden sich 3 Seiten mit 27 Karten, in der anderen die Spielregeln. Weitere Materialien sind nicht notwendig. Idealerweise werden die Karten direkt auf etwas dickeres Papier gedruckt oder anschließend auf Kartonpapier geklebt, so dass man die Vorderseite nicht sehen kann.
Brettspiele und Demokratie? Das hat viel miteinander zu tun, finden wir. Gemeinsam mit Christian Beiersdorfer von der SAZ und Lukas Boch von Boardgame Historian haben wir für die aktuelle Ausgabe von „Politik & Kultur“ der Zeitung des deutschen Kulturrats einen Beitrag verfasst.
Die gesamte Ausgabe lässt sich hier als PDF herunterladen, unser Beitrag findet sich auf Seite 4:
Um als Lehrerin oder Lehrer Spiele im Unterricht zu nutzen, muss ich dafür auch selbst spielen?
Das dachte ich bislang, sehr lang. Ich glaube aber, dem ist gar nicht so, und ich möchte kurz erklären, warum.
Natürlich – das vorne weg gesagt – ist es einfacher, wenn man selbst gerne spielt, um dann analoge und/oder digitale Spiele mit in den Unterricht zu nehmen. Aber, und das ist das Entscheidende, es ist kein Muss.
Spiele sind Medien – genauso wie Bücher, Comics oder Filme. Kein/e Lehrer/in muss Regisseur/in oder begeisterte/r Kinogänger/in sein, um Spiel- oder Dokumentarfilme für das Lernen im eigenen Fach zu nutzen. Nerd sein ist keine Voraussetzung. Begeisterung ist super, aber keine notwendige Bedingung.
Notwendig ist, eine professionelle, hier im Sinne einer medien- und fachdidaktischen Auseinandersetzung mit Filmen als Medien. Alle Medien haben spezifische Eigenschaften, was u.a. ihre Funktionen und ihre Wirkung angeht – und zwar sowohl allgemein, wie auch was das jeweilige Fach betrifft. Die muss ich kennen, um sie sinnvoll als „Lern“-Medium nutzen zu können.
Das gilt genauso für Spiele. Dafür kommt nicht drum rum um das Spielen von Spielen: genauso wie ein/e Lehrer/in vor der Auseinandersetzung damit im Unterricht das Buch liest oder den Film schaut. Zentral scheint mir dabei der Perspektivwechsel von der Aktivität „spielen“ als Methode hin zum Verständnis von „Spielen“ – analog wie digital -, denen man sich mit unterschiedlichen Methoden des Game-Based Learning nähern kann. Was entsprechend noch weitgehend fehlt, sind neben einer grundlegenden Strukturierung auch Einführungen und Hilfestellungen, die Spiele in diesem Sinn als Medien für das schulische Lernen zugänglich machen: Was sind die besonderen Eigenschaften von Spielen? Wann und wofür ist ein Spiel ein Medium, das besser geeignet ist als z.B. ein Buch oder ein Film? Was gilt es zu beachten, wenn ich ein Spiel im Unterricht einsetzen möchte? Was sind notwendige Voraussetzungen? Wie ist das Classroom Management zu gestalten? usw.
Heute kaum noch vorstellbar, bis in die 1980er Jahre machten Lehrer/innen noch Filmvorführscheine, um die 16mm-Filmprojektoren bedienen zu können – diese wurden dann erst nach und nach durch Videorekorder abgelöst, die viele Schülerinnen und Schüler damals besser bedienen konnten als ihre Lehrer/innen – der eine oder die andere wird sich erinnern. Auch bei Filmen war der Unterrichtseinsatz also kein „Selbstläufer“, sondern musste didaktisch wie organisatorisch erlernt und durchdacht werden, bevor er irgendwann aus dem schulischen Unterricht nicht mehr wegzudenken war. Wesentlich dazu beitragen haben zahlreiche Bücher, Materialhefte, Initiativen, Lobbyarbeit und Handreichungen – und nicht zuletzt die Integration von Filmen in die Lehrpläne und Schulbücher mehrerer Fächer wie u.a. Deutsch und Geschichte.
Auch für Comics wurde lange um die Anerkennung und Aufnahme die Schule gerungen. Heute sind sie selbstverständlich in zahlreiche Fächer integriert – Auszüge aus Comics finden sich mittlerweile wie selbstverständlich in den Schulbücher der Mittelstufe in den sprachlichen Fächern, in Geschichte oder Politik. Dabei sind noch lange nicht alle Lehrer/innen Comic-Fans geworden – und das müssen sie auch nicht.
Wenn ich selbst gerne lese, Filme schaue, Spiele spiele, fällt es mir natürlich leichter, relevante, interessante und neue Medien für meinen Unterricht zu finden und auszuwählen. Das eigene Hobby, die persönliche Leidenschaft in die Schule einbringen zu können ist ein Glücksfall, aber im Sinne eines professionellen Lehrerhandelns kann und darf ich mich nicht darauf beschränken. Gerade methodische und mediale Vielfalt macht Lernen in der Schule interessant. Dafür braucht es eine gute Kenntnis der jeweiligen medialen Eigenheiten und der Vorteile jedes Mediums für unterschiedliche Lernsituationen und Ziele.
Außerdem: In der Regel wird für den Unterricht eine Aus- oder Vorauswahl von Medien getroffen, die andere für geeignet halten oder als verpflichtend setzen – z.B. durch die Lehrpläne oder als Vereinbarungen in den schulischen Fachschaften. Der Normalfall ist also, dass ich als Lehrer/in in der Lage sein muss, relevante Medien in der Schule professionell für das Lernen nutzen oder ihre Nutzung durch die Lernenden begleiten zu können.
Bücher, Filme, Comics sind selbstverständliche Teile der Lehrer/innen-Ausbildung und der Fachdidaktischen – für analoge und digitale Spiele gibt es erste Ansätze, aber bis zur gleichberechtigten Anerkennung scheint es noch ein langer Weg…
Mal ganz grundlegend: Beautiful.ai erstellt automatisch Präsentationen. Ich habe die KI gebeten, Folien zum Thema „Brettspiele im Unterricht“ zu erstellen. Das war der ganze Prompt und es hat weniger als 2 Minuten gedauert, die unten stehende Präsentation zu erhalten. Das Ergebnis ist – sagen wir mal – gemischt, vor allem die Bilder sind suboptimal gewählt und auch die Inhalte sind nicht durchgängig sinnvoll.
Zur Bebilderung von „Brettspiel“ werden 1x Schach und 2x Monopoly gewählt. Wirklich kurios sind allerdings die Bilder zu den Personen, speziell zu „Lehrer“ und „Pädagogin“. „Jürgen Schulze“ ist kein mir bekannter Spieleautor – und auch die Suche in Boardgamegeek liefert keine Treffer zu dieser (fiktiven?) Person. Die Bilderrückwärtssuche zeigt, Jürgen Schulze gibt es (vermutlich) wirklich. Das Bild ist von Xing übernommen. Auch die Schüler*innen der 5. Klasse wirken für mein Empfinden etwas zu alt für die angegebene Klassenstufe. Aber wer weiß: vielleicht haben sie ein paar Mal die Klasse wiederholt?
Einige Überschriften ergeben wenig Sinn und Zusammenhang mit den Inhalten der Folien. Bei der Suche nach den „Lieblingsspielen“ wird eine Wortwolke gezeigt, in der das Wort Spiel in unzählen Kombinationen aufgezeigt wird. Sinnvoll ist das nicht. Wenn ihr mal reinschauen wollt, hier findet ihr alle Folien der automatisch generierten Präsentation als PDF:
Wie viele Karten bekommt nochmal jede Person? Wie war das mit dem Spielende, wie wird das eingeleitet?
Solche Fragen kennt ihr? Langes Suchen nach Regeldetails könnte bald vorbei sein: Schaut euch mal den BoardGameChat an.
Der ChatBot basiert auf ChatGPT 3.5. Leider bietet die Seite keine Informationen zu Datenschutz oder den Personen dahinter, aber einen Link zu einer Discord-Gruppe. Die Online-Anwendung funktioniert aktuell nur auf Englisch und mit relativ wenigen Spielen, aber zeigt, was für ein Potential in „Large Language Models“ wie dem bekannten ChatGPT auch für analoge Brettspiele steckt.
Über das Eingabefenster kann ich in Dialoge mit dem Chat treten, der meine Frage zu dem ausgewählten Spiel beantwortet und sich diesen Dialog auch merkt, so dass ich meine Fragen mit Bezug auf das bereits vorher Geschriebene – sofern nötig – verfeinern oder präzisieren kann.
Der Chat-Bot bietet damit einen hilfreichen Service, der umständliches Nachschlagen von Regeldetails erheblich erleichtert. Das ist nichts ganz Neues: So gibt es bereits z.B. ChatPDF – eine Online-Anwendung, die mir erlaubt PDF-Dateien hochzuladen und dann mit dem Chat in einen Dialog über den Text in den PDF-Dokumenten zu treten. Was z.B. eine andere Art der Suche von Informationen in umfangreichen Texten ermöglicht.
Aktuell sind viele Spielanleitungen als eben gerade PDF-Dateien im Internet frei verfügbar. Es ist vermutlich nur eine Frage der Zeit bis der erste Verlag einen entsprechenden Chat für die eigenen Spiele anbietet – mehrsprachig und mit für diese Art der Nutzung optimierten Datensätzen gefüttert…
Vielleicht lässt sich daraus aber auch ein offenes, von der Gemeinschaft der Nutzer:innen betriebenes OpenSource-Projekt entwickeln?
Wie auch immer: Wir dürfen gespannt sein! Und wer sich beteiligen will, findet im Discord eine noch kleine, aber aktive Community rund um das erst ein paar Tage alte Projekt.
Das Beitragsbild zeigt einen typischen Ausschnitt dessen, was man in einem normalen Spielzeugladen in der Hauptstadt Caracas an Spielen kaufen kann. Moderne Brett- und Kartenspiele sind schwer zu bekommen und Spieleautor:innen gibt es auch nur wenige. Lou Paris gehört zu den Venezolanern, die seit langem emigiert sind und nicht mehr im Land leben. Er ist Spieleautor, verlegt seine Spiele selbst und hat mit Burdaerata das vermutlich bekannteste und zugleich ein sehr venezolanisches Kartenspiel erfunden. Per E-Mail habe ich ein Interview mit ihm geführt, in dem etwas über sich und seine Arbeit als Spieleautor erzählt.
[Das Interview steht hier in deutscher Übersetzung. Wer das spanische Original nachlesen möchte, findet dies unter dem Text als PDF verlinkt. Den ersten Teil könnt ihr hier lesen. – La entrevista está disponible aquí traducida al alemán. Si deseen leer el original en español, lo encontrarán enlazado como PDF debajo del texto.Pueden leer la primera parte aquí.]
Hallo Lou, schön, dass du dir die Zeit nimmst. Magst du dich den Leser:innen kurz vorstellen?
Hallo Daniel. Vielen Dank an dich für die Vorbereitung dieses Interviews. Heute möchte ich deinen Lesern zwei Spieleserien vorstellen, die wir in den letzten vier Jahren entwickelt haben: Burdaerata und Pragaming AF.
Was magst du über dich erzählen?
Ich wurde in Venezuela geboren, wuchs aber in Kanada und den Vereinigten Staaten auf. Ich habe in sechs Ländern gelebt und gearbeitet, darunter auch in Deutschland (ja, ich kann Deutsch!). Ich habe fünf Jahre lang in Winterberg, NRW, gelebt. Es hat mir super gefallen, aber 2006 entschied ich mich, zurück nach Florida zu ziehen, weil meine ganze Familie dort war.
In die Welt der Spieleentwicklung bin ich zufällig geraten. Es fing mit einem Experiment an und entwickelte sich zu etwas, das stetig gewachsen ist. Jetzt erzähle ich euch mehr über die Entstehung dieser Spiele… Mein akademischer Hintergrund hat wenig mit der Entwicklung dieser Art von Projekten zu tun. Ich habe Ingenieurwesen und Betriebswirtschaft studiert, aber ich habe immer gerne an Projekten gearbeitet, die Kreativität und künstlerische Fähigkeiten erfordern.
Ich habe über ein Jahrzehnt lang als Leiter der Abteilung für Unternehmertum an der Stetson University gearbeitet. In dieser Funktion hatte ich die Gelegenheit, viele Arten von Unternehmen zu bewerten, darunter auch das eine oder andere Brettspiel. Dort habe ich gelernt, wie groß der Spielemarkt in den Vereinigten Staaten ist. Zum Beispiel soll Cards Against Humanity einen Marktwert von 500 Millionen Dollar haben.
In meiner Freizeit widme ich mich meiner Familie, der Fotografie und dem Mountainbiking.
Wo lebst du heute?
Ich wohne in Port Orange, Florida. Das ist eine Stadt südlich von Daytona Beach, wo die berühmten NASCAR-Rennen ausgetragen werden. Ich wohne 7 Meilen vom Strand entfernt, was ich sehr schätze.
Was machst du mit Brett- und Kartenspielen?
Hinter dem Tisch in der Speisekammer haben wir einen Schrank mit Bildern, Büchern und vielen Spielen. Sehr oft setze ich mich mit meiner Familie zusammen, um eines dieser Spiele zu spielen. Die Spiele, die wir am häufigsten spielen, sind Uno, Scrabble, Boggle und eines meiner Spiele, Rumba con Misses.
Wie bist du zur Entwicklung von Brettspielen gekommen?
Wie ich bereits erwähnt habe, bin ich eher zufällig in die Welt der Spiele eingestiegen. Zu der Zeit verkaufte ich Fußmatten über Amazon. Wir waren mit diesem Geschäft erfolgreich, und ich fragte mich, ob es möglich wäre, dasselbe mit anderen Produkten zu tun, die eher eine Nische darstellen. Auf meiner Ideenliste stand ein Spiel, das wie Cards Against Humanity funktionierte, aber einen spezifischeren kulturellen Fokus hatte, z.B. von einem einzigen spanischsprachigen Land: Venezuela.
Von Cards Against Humanity hatte bereits versucht, eine spanische Version auf den Markt zu bringen, aber die Ergebnisse waren nur mittelmäßig. Meine Theorie war, dass sie gescheitert sind, weil die verwendete Sprache zu allgemein war (sie wollten ein Spiel machen, das jeder, egal aus welchem Land, verstehen konnte). Ich dachte, es würde nur funktionieren, wenn es sehr umgangssprachliche Ausdrücke enthielte. Also beschlossen wir, eine Version für den venezolanischen Markt zu entwickeln. Am Anfang war es ein Experiment, aber als ich anfing, Ausdrücke und Wörter zu sammeln, um das Spiel zu entwickeln, wurde mir der kulturelle Wert des Spiels bewusst.
Lass mich das kurz erklären: Ich hatte jahrzehntelang außerhalb Venezuelas gelebt, und nur wenn ich mich mit Freunden und Familie traf, hatte ich die Gelegenheit, mich an angenehme Momente in diesem Land zu erinnern (die aktuelle Situation in Venezuela ist schrecklich, aber das wäre ein Thema für ein anderes Gespräch). Mir wurde klar, dass dieses Spiel geeignet war, diese Gespräche zu fördern und die Erinnerung an diese Kultur wach zu halten. Ich erstellte einen Prototyp und spielte ihn. Es war ein voller Erfolg bei meinen Freunden.
Mit dieser positiven Rückmeldung beschlossen wir, mit der ersten Produktion von Burdaerata zu beginnen (der Name kommt von der Art und Weise, wie die Venezolaner „burda de rata“ aussprechen, was so viel wie „sehr schlechte Person“ bedeutet). Im ersten Jahr, in dem wir das Spiel auf den Markt brachten, haben wir überhaupt keine Werbung dafür gemacht. Ein oder zwei andere Spiele wurden verkauft, aber in Wahrheit wusste fast niemand, dass es existiert. Bis ich eines Tages, während der Pandemie im Jahr 2020, in meinem Büro arbeitete und das Telefon anfing, Verkaufsmeldungen in einer nie dagewesenen Geschwindigkeit auszusenden. Offensichtlich war etwas passiert, aber wir wussten nicht was. Nachdem wir eine Stunde lang alle sozialen Netzwerke durchsucht hatten, fanden wir schließlich die Quelle für all diese Verkäufe: Ein berühmter venezolanischer Radiomoderator hatte Burdaerata in einem seiner Video-Podcasts gespielt. Seitdem reißen die Verkäufe nicht mehr ab.
Welche Spiele hast du sonst noch erfunden? Wie funktionieren sie und was magst du an deinen Spielen?
Burdaerata war das erste Spiel, das ich erfunden habe. Ich habe es als MVP (minimal viable product = als minimal funktionierende, maximal reduzierte Produktversion) veröffentlicht. Es hatte eine Menge Fehler, sowohl im Inhalt als auch im Druck. Auch die Herstellungsqualität war schrecklich. Die Firma, die wir anfangs beauftragt hatten, leistete sehr schlechte Arbeit. Aber den Leuten war das egal, sie haben es weiter gekauft.
Nachdem wir viele Exemplare verkauft hatten, beschlossen wir, mit der Öffentlichkeit zu sprechen und um Feedback zu bitten, um das Spiel zu verbessern. Das Feedback, das wir erhielten, war sehr einheitlich: Wir sollten weniger auf die venezolanische Politik eingehen, weniger Namen bestimmter berühmter Personen verwenden und mehr Phrasen einbauen, die alle Regionen des Landes repräsentieren. Mit diesem Feedback und einer neuen Produktionsfirma haben wir die zweite Version des Spiels veröffentlicht.
Angesichts des Erfolgs, den wir hatten, wollten wir unbedingt weitere Versionen produzieren. Unter anderem wurden wir um Karten mit gröberen Sätzen und Ausdrücken gebeten. Also schufen wir die „Candela-Erweiterung„. Ich finde es immer noch lustig, dass diese Empfehlungen hauptsächlich von älteren Damen kamen.
Dann sahen wir die Gelegenheit, ein Strategiespiel zu entwickeln, das wir Rumba con Misses nannten. In diesem Spiel beschlossen wir, andere Aspekte der venezolanischen Kultur sowie die Bedeutung, die wir Schönheitswettbewerben beimessen, zu feiern (Venezuela, mit einer Bevölkerung von 30 Millionen, hat sieben Mal die Miss Universe gewonnen – einmal weniger als die Vereinigten Staaten, mit einer zehnmal größeren Bevölkerung).
Bei diesem Spiel muss man drei Rumbas sammeln, um zu gewinnen. Jede Rumba besteht aus einer Miss, einem DJ (im Spiel repräsentatiert durch berühmte venezolanische Musiker) und einem (für Venezuela typischen) alkoholischen Getränk.
Diese QR-Code-Idee brachte uns schließlich dazu, ein Spiel für den amerikanischen Markt zu entwickeln. Genauer gesagt für den Markt der College-Studenten: Pregaming AF (Pregaming bezieht sich auf die Aktivität, sich bei jemandem zu Hause zu treffen, um zu trinken, bevor man in eine Bar geht. „AF“ steht für „Ace F**k„). In diesem Spiel scannen die Spieler, wenn sie an der Reihe sind, eine Karte und hören, wie eine Figur sagt, welche Buße sie tun müssen, weil sie sonst trinken müssen.
Venezuela war seit 1958 eine relativ stabile Demokratie mit hohen Einnahmen insbesondere in den 1970er Jahren durch den Erdölexport. Ab 1999 haben Staat und die Gesellschaft mit der „bolivarischen Revolution“ einen grundlegenden Wandel zu einem „Sozialismus des 21. Jahrhundert“ unternommen. Seit einigen Jahren befindet sich das Land in einer tiefen politischen und sozioökonomischen Krise.In den letzten zehn Jahren sollen über 7 Mio der ursprünglich knapp 30 Mio Venezolaner:innen das Land verlassen haben – die venezolanische Massenemigration ist damit eine der größten Flüchtlingsbewegungen weltweit.
Offizielle Währung ist der Bolívar, der zwischenzeitlich eine Hyperinflation von weit über 1000% erlebte. 2022 ist die Inflation auf etwas über 200% gesunken. Löhne werden in Bolívares gezahlt, inoffizielles Zahlungsmittel ist allerdings der US-Dollar.In den letzten zwei Jahren hat sich das Land wirtschaftlich leicht erholt – nach einer Zeit leerer Regale gibt es bei vergleichsweise hohen Preisen in den Supermärkten in Caracas wieder alles zu kaufen. Die Versorgung mit u.a. Strom, Wasser und Benzin ist in der Hauptstadt aktuell weitgehend stabil – das ist in den übrigen Teilen des Landes nicht durchgängig gegeben.
Trotz der sehr schwierigen Situation gibt es in Venezuela moderne Brettspiele und eine eigene Brettspielszene. Zwei Interviews aus ganz unterschiedlichen Perspektiven sollen darin einen kleinen Einblick geben. Ein großes Dankeschön geht an die beiden Interviewpartner für ihre Zeit und Bereitschaft meine Fragen zu beantworten!
[Das Interview steht hier in deutscher Übersetzung. Wer das spanische Original nachlesen möchte, findet dies unter dem Text als PDF verlinkt. – La entrevista está disponible aquí traducida al alemán. Si desean leer el original en español, lo encontrarán enlazado como PDF debajo del texto.]
Hallo Luisjoey, schön, dass du dir die Zeit nimmst, magst du dich den Leser:innen vorstellen: Wer du bist und was du machst?
Danke für die Einladung, mein Name ist Luis Fernandez, besser bekannt als Luisjoey und Gründer von Calabozo Criollo [Anm. calabozo = Dungeon, calabozo criollo bedeutet also „kreolischer Kerker“], der nationalen venezolanischen Gemeinschaft für Brettspiele, Rollenspiele und Wargames seit 2004.
Von Beruf bin ich Fachmann für internationale Beziehungen, aber derzeit arbeite ich als Markenbotschafter für das Unternehmen Devir in Lateinamerika.
Wann und wie hast du mit dem Hobby „Brettspiele“ begonnen?
Schon seit meiner Kindheit mit Imperio cobra und den Cassette juego in den 80er Jahren! Schach habe ich mit 7 Jahren mit einigen deutsch-honduranischen Freunden gelernt; aber mein Einstieg in moderne Brettspiele war etwa 2003-2004 mit Spielen wie Munchkin, Betrayal at the house on the hill (ein Spiel, das für mich zur Obsession wurde) und erst 2007 habe ich meine Brettspielsammlung wirklich begonnen, die heute 572 Titel quer durch alle Genres umfasst, hoffentlich wächst sie weiter!
Was reizt dich besonders an diesem Hobby?
Es ist ein sehr komplettes und vielfältiges Hobby. Ich liebe es, die Dynamik und die Mechanik des Spiels zu sehen, und es ist großartig, sich mit Leuten auszutauschen, die das Hobby mögen oder die in die Welt der Brettspiele einsteigen wollen; Brettspiele sind für mich kein Hobby, sie sind wie meine Religion und meine Lebensweise.
Mein Traum oder Ziel ist es, eine Tournee durch Amerika oder die ganze Welt zu machen, Hobbyläden zu besuchen, für die venezolanische Verspieltheit zu werben und Videoreportagen davon zu machen, um die Freundschaftsbande für die Leidenschaft zu stärken, die uns eint.
Wie sieht die Situation der Brettspiele in Venezuela aus?
Es ist eine KOMPLIZIERTE Situation, weil Venezuela seit 2002 eine Währungsbeschränkung hat, zusätzlich zu einem selbst auferlegten Wirtschaftsembargo, und die Währung sehr schwankend ist, was es für die Leute schwierig macht, Brettspiele zu bekommen oder zu vermarkten. Immer wenn ich gefragt werde, wie man Spiele ins Land bringt, zeige ich den Leuten ein Bild von HAN SOLO, dem Schutzpatron des Handels gegen repressive Regime.
Es gibt viele Leute, die spielen, und Calabozo Criollo hat viele neue Spieler hervorgebracht und sogar Wettbewerbe organisiert, die im Laufe der Zeit allerdings wieder verschwunden sind. Viele Leute mussten aus Not zu verschiedenen Zeiten auswandern, was die verfügbare Spielerbasis zusätzlich zu den normalen, täglichen Herausforderungen des Überlebens, Heiraten, Kinder, Arbeit, etc. verringert hat. Das Motto von Calabozo Criollo ist #WeDoPlay, was bedeutet, dass wir nicht spielen, weil es leicht ist, sondern weil es eigentlich unmöglich ist.
Obwohl die Diaspora und die Boardgame-Arena die Gemeinschaft sehr aktiv gehalten und die Entfernungen verkürzt haben, kehren zu Weihnachten viele Spielerfreunde zurück und wir haben die Möglichkeit, uns persönlich zum Spielen und Kennenlernen zu treffen.
Wann hast du mit deinen Kanälen begonnen, in der Öffentlichkeit über Spiele zu sprechen? Und warum hast du damit angefangen?
Im Jahr 2001 begann ich, mich für HeroClix voranzubringen, weil ich keine Gegner finden konnte, und so wurde es auf jedes Spiel angewandt, das ich ausprobierte und spielte. Es kam immer wieder vor, dass Leute erwähnten, dass sie Warhammer in England gesehen hatten, oder dass sie in die USA gereist waren und die Hobbyläden gesehen hatten, oder dass Catan cool war, aber man es nur in Deutschland bekommen konnte.
Es wurde zu einem Kreuzzug, um Spielen in Venezuela zu ermöglichen, um gesunde und sichere Spielräume zu schaffen, die sich auf das Spiel konzentrieren und nicht auf die zwischenmenschlichen Dynamiken und Dramen (die zu jeder menschlichen Aktivität gehören und bei Lateinamerikanern besonders ausgeprägt sind).
Die Kanäle als solche begannen 2004 mit dem nicht mehr existierenden Calabozo Criollo Forum, das sich 2009 weiterentwickelte zu Facebook, Blogspot, Twitter. 2014 kam Instagram dazu. Angesichts der Schwierigkeiten mit dem Internet in diesem Land hat es eine Weile gedauert, bis wir auf YouTube und Twitch aufgesprungen sind, aber jetzt könnt ihr uns sogar auf Tik Tok folgen. Uns auf diesen Netzwerken zu folgen, bedeutet, gegen die Schwierigkeiten anzugehen, und ist sogar ein Akt der Rebellion gegen die Widrigkeiten, aber auch der Unterstützung für uns.
Brettspiele sind weltweit auf dem Vormarsch: Siehst du trotz der schwierigen politischen und wirtschaftlichen Lage auch eine Entwicklung in Venezuela?
Ja, die Pandemie brachte der Welt Schwierigkeiten und eine Neuorientierung: Viele Menschen mussten für lange Zeit zu Hause bleiben und Brettspiele haben ihre Nische gefunden. Mit der Pandemie entstanden in Caracas, der Stadt, in der ich lebe, fünf spielerische Initiativen: @veneludica, @dragonsndogs, @Cava_Scale, @fungredient und @Brilosgames, die dafür verantwortlich waren, Produkte für den wachsenden Markt von Brettspielen in Venezuela bereitzustellen. Wir sind sehr dankbar für ihre Bemühungen, ebenso den internen Initiativen wie @tcgplaystore_sc, @juegapzo und @nerdish_ve begleitet von traditionellen Initiativen wie @magicsur und den vielen, die noch kommen werden, um die Spielegemeinschaft zu erweitern; und ich hoffe, sie wissen, dass sie auf Calabozo Criollo zählen können.
Gibt es sonst noch etwas, das du gerne ergänzen möchtest?
Die Wahrheit ist, dass es viele Dinge zu sagen gibt, aber nicht, um das Interview lang zu machen. Die Hauptbotschaft ist: Ja, in Venezuela wird gespielt und wir sind die #WeDoPlay und ihr könnt jederzeit zu uns kommen und mit uns mitspielen, wann immer ihr wollt. Wir haben eine besondere und heitere Art zu spielen: von einfachen Party-Spielen bis hin zu den schwersten 4X-Experten-Spielen wie Twilight Imperium. Wir haben gute Spieler in die ganze Welt exportiert und ich hoffe, ihr habt mal die Möglichkeit, unser Hobby mit uns zu teilen.
Einfach mal machen, dachte er. Packte eine Kiste mit tollen Spielen und beglückte seine Klasse damit… die folgenden 45 Minuten wurden die längsten seines Lebens.
Oft gehen spielebegeisterte Lehrerinen und Lehrer mit viel Freude daran, ihr Hobby in die Schule zu tragen. Oft aber ist es dann gar kein so gutes Erlebnis, was daraus resultiert. Im schlimmsten Fall endet das so schön Gedachte im Chaos und wird abgebrochen. Schwierig wird es auch oft, wenn Kolleginnen und Kollegen das gar nicht aus Begeisterung machen, sondern weil sie gehört haben, das soll so gut funktionieren und das tut es dann gar nicht.
Es ist ein fundamentaler Unterschied, ob ich mit Freunden oder der Familie am Tisch sitze oder versuche eine ganze Klasse zum Spielen zu bringen. Dafür gibt es ein paar Tipps & Tricks, die, wenn man sie beachtet, dazu führen, dass das Spielen in der Schule – egal, ob nun in einer AG oder im Unterricht – für alle zu einer guten, bereichernden Erfahrung werden kann.
Die folgende Liste ist nicht abschließend, sondern nurmehr eine erste Ideensammlung, die gerne in den Kommentaren ergänzt und erweitert werden darf.
„Nenn es nicht „Spiel“! Ok, der erste Tipp bezieht sich nur auf den Unterricht und den Einsatz von Spielen zum Lernen. Viele Schülerinnen und Schüler kennen Spiele in der Schule maximal aus den letzten Stunden vor den Ferien – wo gespielt wird „statt zu lernen“ (was für ein Quatsch! – als ob das ein Gegensatz wäre und sich ausschließen würde, aber ist leider so in der Wahrnehmung und Kommunikation in vielen weiterführenden Schulen). Wer Brett- und Kartenspiele gezielt zum Lernen nutzen möchte, weckt daher mit der Ankündigung, ein Spiel mitgebracht zu haben, vermutlich falsche Erwartungen. Außerdem: Niemand (ich hoffe, niemand) würde sagen „Ich hab euch mal eine spannende Kopie mitgebracht!“. Gleiches gilt übrigens auch für das Gespräch mit den Kolleg:innen. Besser: Ich hab da was Tolles zum Thema XY, als ich hab da ein schönes Arbeitsblatt oder gar ich hab da ein „Spiel“ 😉
Eine Herausforderung analoger Spiele sind die Regeln. Wer wenig spielt, wird auch bei relativ einfachen Spielen Probleme haben, die Regeln richtig zu erfassen und umzusetzen. Es ist also eine eher schlechte Idee, Brett- und Kartenspiele in die Schule mitzubringen und die Kinder und Jugendlichen mit den Spielen allein zu lassen. Das dürfte in den meisten Fällen eine frustrierende Überforderung darstellen, die in entsprechende Unruhe, Ablehnung und Protestverhalten umschlagen kann. Was sind die Alternativen?
Auf jeden Fall Spiele auswählen, die zum Alter der Schüler:innen, ihren Spielerfahrungen und zum zeitlichen Rahmen passen und dann…
Ein Spiel im Klassensatz mitbringen, also in der Regel bei Spielen für 4-5 Personen sind das 6-8 Exemplare. Als Lehrer:in sollte ich das Spiel kennen und erklären können. Das kann ich vorab im Plenum machen, ggf. unterstützt durch eine PowerPoint mit Abbildungen und den wichtigsten Regeln oder einer Dokumentenkamera, um Ausschnitte der Anleitung oder das Spielmaterial zu zeigen. Die Anleitungen dienen dann an den Tischen zum Nachschlagen bei Fragen oder Regelunsicherheiten. Reicht das nicht, helfe ich als Lehrer:in der Gruppe.
Spiele, die mit der gesamten Gruppe gespielt werden können, für die also auch die Regeln gemeinsam erklärt und die gemeinsam ausprobiert werden können. Beispiele für moderne und aktuelle Spiele, die gut mit der gesamten Klasse gemeinsam gespielt werden können sind z.B. Just One, das Kneipenquizoder irgendein Roll/Flip&Write-Spiele mit Hilfe einer Dokumentenkamera wie z.B. Second Chance (vielen Dank für den Tipp an Martina Fuchs!)
Mittel- oder langfristig ist die Unterstützung von spieleerfahrenen Schülerinnen und Schülern auch eine tolle Möglichkeit, dass diese für ihre Mitschüler:innen Spiele erklären, sei es weil sie diese aus der schulischen Brettspiel-AG, von Zuhause kennen oder sich aufgrund ihrer größeren Spielerfahrungen Regeln besser erarbeiten und diese anderen gut erklären können.
Wichtig sind auch gute Planung und Zeitmanagement: Die Spieldauer variiert von Spiel zu Spiel und von Gruppe zu Gruppe. Beim Spielen mit der gesamten Klasse tritt das Problem nicht auf. Bei unterschiedlichen Spielen oder demselben Spiel in unterschiedlichen Gruppen kann es zu großen Unterschieden kommen. Hier ist vorne weg zu überlegen, wie sich damit umgehen lässt. In jedem Fall ist ausreichend Zeit einzuplanen. Je nach Spiel, lässt sich für alle Gruppen ein gemeinsamer Zeitrahmen finden, ggf. auch als ergänzende „Hausregel“. Einige Spiele, wie z.B. Just One, lassen sich flexibel rhythmisieren. Je nach zur Verfügung stehender Zeit kann die Anzahl der zu erratenden Begriffe einfach angepasst werden. Außerdem ist die zur Verfügung stehenden Zeit (1 oder 2 Unterrichtsstunden oder mehr?) mit der Zeit für Regelerklärung und eine (meist etwas länger als auf der Schachtel angegeben dauernde Erst-) Partie bei der Auswahl der Spiele zu berücksichtigen.
Sinnvoll ist es, Regeln und Verantwortlichkeiten der Schüler/innen explizit zu vereinbaren: Das betrifft das Ausleihen sowie den sorgfältigen Umgang, das Ein-/Auspacken der Spielmaterialien. Z.B. sollte ein Spiel immer erst ordentlich wieder verpackt werden, bevor ein neues zum Spielen ausgeliehen wird. Da es bei Spielen auch relativ laut werden kann und die Schüler:innen im besten Fall ganz in das Spielerlebnis eintauchen, ist es zudem ratsam, z.B. ein akustisches Signal vorzubereiten, eventuell auch einen Timer über einen Projektor oder eine interaktive Tafel mitlaufen zu lassen, um das Ende einer Spielphase oder der Spielzeit für alle Gruppen eindeutig zu markieren, wenn dies nicht mit dem Ende der Unterrichtsstunde zusammenfällt.
Ingesamt bieten Spiele die Chance eine hohe Aktivierung und Selbstständigkeit der Schüler:innen zu ermöglichen. Diese Chance sollte genutzt werden, um den Schüler:innen so viel Autonomie und selbst organisierten Raum zu bieten wie möglich. Wie viel Freiraum gewährt werden kann, hängt an den oben genannten Punkten – dem Alter, der Erfahrung mit Spielen, dem Einhalten der Regeln usw. Ein wichtiger Punkt dabei ist – wie im sonstigen Unterricht – auch auf eine geeignete Zusammensetzung der Gruppen an den Spieletischen zu achten.
Wie aus den vorangehenden Punkte deutlich wird, sind Spiele in der Schule kein „Selbstläufer“. Daher ist es hilfreich, im Sinne eines guten Classroom Managements passend für die jeweilige Gruppe vorab sowohl Strategien zur positiven Unterstützung wie auch für potentielle Probleme (z.B. zu große Unruhe, Weigerung mitzuspielen, emotionale „Ausraster“ am Spieletisch) zu überlegen.
Abschließend: Werden Spiele gezielt als Medien für Lernprozessen eingesetzt, benötigt es immer eine Reflexionsphase oder Nachbesprechung nach dem Spiel (siehe auch oben der Hinweis zur akustischen Markierung von Phasen). Dieses Gespräch sollte eine sinnvolle Einordnung des Spielerlebnisses im Hinblick auf den Lerngegenstand ermöglichen, wie z.B. unterschiedliche Spielverläufe, Handlungsmotivation oder -spielräume, und muss in der Zeitplanung vorab Berücksichtigung finden.
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Gibt es weitere Punkte, Regeln oder Ideen, die ihr aus eurer Erfahrungen mit Spielen im Unterricht ergänzen möchtet?