Code of Respect and Responsibility

In the last few months, we have been working in a small, international working group of game designers to develop a code to promote diversity in the development of board games and beyond in the board game scene in general.

The initiative for this came from the SAZ, which today published the code with 75 initial signatories on its homepage.

Further language versions will follow. Everyone in the game industry is invited to sign and support the code as a personal standard of conduct.

https://www.spieleautorenzunft.de/code-of-respect-and-responsibility.html

Dig deeper! Ein paar Gedanken zu Diversität in Spielen mit historischem Thema.

Seit drei Jahren arbeite ich an einem Spiel zu iro-schottischen und angelsächsischen Mission im frühen Mittelalter. Für mich als Geschichtslehrer war klar, die Missionare waren Männer und wenn das Spiel deren Perspektive bietet, dann gibt es (historisch) keine Möglichkeit, Frauen im Spiel zu repräsentieren. (Denkbar wäre natürlich auch eine Umkehrung der Perspektive mit einem Spiel aus der Sicht der missionierten Völker, wie z.B. Spirit Island das teilweise für den Kolonialismus macht, aber das wäre ein anderes Spiel.)

Im Rahmen der Mitarbeit in einer durch die SAZ initiierten Arbeitsgruppe habe ich mich jetzt noch einmal intensiv mit dem Thema der Repräsentation und Diversität in Spielen auseinandergesetzt. Dabei bin ich in den letzten beiden Tagen auf zwei interessante Beispiele gestoßen, die mich nochmal zum Nachdenken gebracht haben:

Cowboys im sogenannten „Wilden Westen“ stellen wir uns als weiß und männlich vor. Unser Bild ist geprägt vom Western als Genre in Literatur, Comic, Serien und Filmen. Entsprechend werden sich die wenigsten über die stereotype Darstellung von Cowboys auch in Brettspielen wie z.B. in Great Western Trail wundern. Dabei gab es im 19. Jahrhundert in den USA auch Frauen, die die Viehherden durch die Weiten der Landschaft getrieben, ebenso wie nicht-weiße Männer.

Interessanterweise scheinen anderen Bereiche der Populärkultur wie Filme oder Comics weiter als Brettspiele. In Spielen werden statt historischer Recherche oft noch später entstandene und tief verankerte Vorstellungen reproduziert. In einer neueren Folge zeigt Podcast „Geschichten aus der Geschichte“ am Beispiel der isländischen Seefahrerinnen, wie diese – obwohl sie vom 17. bis ins 19. Jahrhundert rund 30-40% der „Mann“schaften der Fischerboote ausmachten, aus dem kollektiven Gedächtnis verdrängt wurden und die Seefahrt ab dem 20. Jahrhundert als ausschließlich männliche Domäne erinnert wurde.

Dies hat mich dazu gebracht, nochmal genauer auf mein Spiel und die Rolle von Frauen in der frühmittelalterlichen Mission zu schauen. Und siehe da mit dem entsprechenden offenen Blick und gezielter Suche finden sich zahlreiche Frauen, die eine wichtige Rolle gespielt haben: Lioba, Walburga, Thekla, Ida, Ludmilla, Olga und viele andere mehr…

Diese Frauen haben Klöster gegründet, waren selbst Äbtissinnen von Klöstern in neu missionierten Gebieten, oder haben am Hof als Fürstin wesentlichen Einfluss auf die Annahme des Christentums gehabt. Kurzum: Ohne das Wirken dieser Frauen ist die Geschichte der frühmittelalterlichen Missionierung kaum zu erzählen.

Das Spiel soll kein explizites „Lern“-Spiel sein und auch keine Simulation bieten. Trotzdem werde ich das Spiel überarbeiten, um die historische Perspektive zu erweitern. Dabei sehe ich mehrere Möglichkeiten:

  • Die Tableaus der Missionare werden doppelseitig bedruckt: auf der einen Seite ein Missionar, auf der anderen Seite eine Missionarin wie z.B. Lioba. Die Spieler*innen könnten dann wählen. Historisch wäre es nicht korrekt, da die an der Mission beteiligten Frauen anders als die Missionare nicht zur Mission in nicht-christliche Gebiete gezogen sind – das ist aber ein Kern der Spielmechanik. Andererseits sind andere Elemente gleichfalls nicht historisch genau: Die ausgewählten Missionare haben nicht zur gleichen Zeit gelebt und die Auswahl der nicht-christlichen ist zufällig, so kann ein Spieler mit Bonifatius auch weit nach Osteuropa gelangen, wo dieser historisch nie war. Ich finde, im Rahmen eines Spiels auf jeden Fall eine Möglichkeit, die mir aktuell auch am einfachsten umzusetzbar scheint.
  • Die zweite Möglichkeit wäre das Spiel weiterzuentwickeln, in dem die weiblichen Charaktere asynchron andere Spiel- und Gewinnmöglichkeiten haben, die die historischen „Spielräume“ der Geschlechter ansatzweise abbilden. Dies würde das Spiel aber stark verändern, aus dem recht weit entwickelten Prototypen sogar wahrscheinlich ein anderes Spiel machen. Für das vorliegende Spiel daher für mich vermutlich keine Option, aber grundsätzlich eine interessante Perspektive für die Entwicklung weiterer Spiele.
  • Die letzte Option, die sich sehe, ist, diese frühmittelalterlichen Frauen wie König oder Papst als Elemente ins Spiel zu integrieren, die eine gewisse Funktion übernehmen und damit repräsentiert sind, aber nicht durch die Spieler*innen gespielt werden. Denkbar wäre z.B. dass einzelne von Missionaren gegründete Klöster im Spiel mit einer Äbtissin an der Spitze als Frauenklöster dargestellt werden. Der Vorteil wäre, dass die Handlungsräume über die Funktion im Spiel deutlich gemacht werden können. Nachteil ist, dass die weiblichen Charakter im Spiel nicht selbst agieren – das tun allerdings auch Papst und König als Figuren hier nicht.

Die Gedanken zur Überarbeitung des Spiels sind noch sehr ungeschliffen. Sie zeigen aber, dass mit entsprechender Offenheit und ein wenig Recherche eine stärke diverse Repräsentation auch in Spielen mit historischen Thema möglich ist. Der Verweis auf vermeintliche historische „Korrektheit“ darf nicht als Ausrede herhalten. Vielmehr, das zeigen die wenigen Beispiel, kann mehr Diversität im Spiel die Vergangenheit besser abbilden als die gängige Reproduktion populärer Geschichtsbilder.

Diversität, Exotik und Erwartungshaltungen

Wenn es ein Autor aus Ecuador ist, würde ich schon etwas anderes erwarten als ein Standardthema wie Piraten …

Über diese Rückmeldung habe ich lange nachgedacht. Seit fast einem halben Jahr lebe ich jetzt in Quito, der Hauptstadt Ecuadors. Aktuell unterstütze ich einen Autor, der ein wirklich tolles Spiel gemacht und dieses bisher nur im Eigenverlag in Ecuador veröffentlicht hat, das Spiel in einer überarbeiteten, zweiten Version auf den internationalen Markt zu bringen. In der Vorbereitung haben wir überlegt, für die Neuauflage des Spiels das Thema zu ändern, Wir haben BGG, Facebook, Twitter genutzt, um von außen Rückmeldungen zu möglichen, zu den vorhandenen Spielmechaniken passenden Themenideen zu bekommen. In diesem Zusammenhang fiel mehrfach der eingangs zitierte Satz – so oder in ähnlicher Weise.

In den letzten Monaten ist in der internationalen Brettspielszene aus gutem Grund viel über Diversität diskutiert worden. Das Thema wird auch nicht mehr weggehen. Damit verbunden zu sein scheint u.a. aber interessanterweise auch unterschwellig die Vorstellung, dass durch mehr Diversität bei den Autor*innen auch die Themen der Spiele vielfältiger werden.

Dass dies der Fall sein kann, zeigen die breite Vielfalt an Epochen, Regionen und Themen der eingereichten Spiele mit Geschichtstsbezug beim Zenobia Award.

Dass dies aber nicht zwingend so sein muss und als Erwartungshaltung durchaus ein Problem darstellen kann, lässt sich eigentlich leicht nachvollziehen. Der Brettspielmarkt ist international. Das heißt weltweit orientieren sich Spieler*innen, an den Neuerscheinungen mit großen Auflagen vor allem aus Europa und den USA, die Preise gewinnen, in Zeitschriften, Blogs und YouTube-Channels besprochen werden.

Naheliegenderweise orientieren sich auch viele Autor*innen außerhalb von Europa und den USA genau an diesen, ihren Vorbildern. An den Spielen, die sie selbst gerne spielen. Genau solche Spielen möchte sie auch selbst gerne entwickeln. Zum einen spielen sie selbst gerne, zum anderen sehen sie ja auch, welche Themen international (immer wieder) erfolgreich sind – übrigens durchaus vergleichbar zu anderen Bereichen wie Filme oder Bücher, wo auch bestimmte Genres besonders beliebt und oft reproduziert werden.

Nun würde niemand erwarten, dass ein*e Spieleautor*in aus Bayern ein besonders „bayrisches“ oder jemand aus Berlin ein besonders typisches „Berliner“ Spiel macht – was sollte das auch sein? Die europäischen Autor*innen und Verlage siedeln ihre Spiele in den den unterschiedlichsten Welten, Zeiten und Settings an.

Die eingangs wiedergegebene Erwartungshaltung impliziert hingegen, dass ein*e Autor*in aus Ecuador – oder enem anderen z.B. südamerikanischen oder afrikanischen Land die eigene (als anders antizipierte) Lebenswelt in die Spiele einfließen lassen sollte. Bei dieser Erwartung handelt es sich allerdings vor allem um die Projektion eigener Vorstellungen über diese Länder und Regionen und sie reproduziert damit als Fremdzuschreibung wiederum eine weiße, europäisch-nordamerikanische Sicht. Diese steht übrigens in einer Traditionslinie des Kolonialismus, das Exotische zu suchen und dem Anderen diese eigene Vorstellung von dessen Andersartigkeit zuzuschreiben.

Dabei handelt es sich um eine Form von Kulturalismus – wie man sie in vielen Bereich findet, so auch z.B. im pädagogischen Kontext, wenn ein*e Lehrer*in einem Schüler aufgrund eines wirklichen oder manchmal auch nur vermuteten Migrationshintergrund Kenntnisse oder Interesse an bestimmten Themen unterstellt („Du kommst doch aus der Türkei, das ist doch für dich doch besonders interessant, mach du mal das Referat über den Islam…“)

Das mag oft gut gemeint sein, ist aber – das konkrete Beispiel aus der Schule zeigt es, glaube ich, sehr deutlich – gleichermaßen problematisch.